ARCHIV FÜR SOZIALGESCHICHTE
DEKORATION

Rezensionen aus dem Archiv für Sozialgeschichte online

Frank Uekötter, The Green and the Brown. A History of Conservation in Nazi Germany (Studies in Environment and History), Cambridge University Press, Cambridge etc. 2006, XV + 230 S., kart., 24,99 €.

Vor mehr als 20 Jahren erregte Anna Bramwell Aufsehen mit ihrer These, der Blut-und-Boden-Ideologe Richard Walther Darré sei ein früher Vertreter der Grünen gewesen und habe eine ,,grüne Fraktion" innerhalb der NSDAP angeführt. (1) Obwohl diese These kaum Zustimmung erhielt, wurden die ideologischen Verbindungen zwischen der Natur- und Heimatschutzbewegung und dem Nationalsozialismus lange diskutiert sowie zum Teil als sehr eng angesehen. Als Beleg dafür wurden oft entsprechende Aussagen prominenter Naturschützer zitiert. In den vergangenen Jahren erschienen jedoch Studien, die dieses Urteil in Frage stellten und die Ambivalenz des Verhältnisses zwischen Naturschutz und Nationalsozialismus betonten.

Frank Uekötter knüpft daran mit seinem als erstes Überblickswerk zur Naturschutzgeschichte im nationalsozialistischen Deutschland charakterisierten Buch an. Er betont, dass es zur Klärung des Verhältnisses zwischen den ,,Grünen" und den ,,Braunen" nicht zureiche, nach ideologischen Gemeinsamkeiten zu schauen. Vielmehr müssten ebenso die praktische Tätigkeit der Naturschützer und deren Ergebnisse unter die Lupe genommen werden, um ein realistisches Bild zu erhalten.

In acht Kapiteln versucht Uekötter dies zu erreichen. Nach der Einleitung fragt er zunächst, was den Naturschutz und den Nationalsozialismus in ideologischer Hinsicht trennt und vereint. Es habe zwar Naturschützer gegeben, die antisemitische oder völkische Positionen schon vor 1933 vertraten, doch seien diese eine kleine Minderheit gewesen. Kennzeichnend für die Naturschutzbewegung seien vielmehr die große Vielfalt ideologischer Einstellungen und Politikferne gewesen. Zudem hätten die ,,Grundpfeiler der NS-Ideologie" Sozialdarwinismus, Zentralismus, Antisemitismus und das Konzept der einheitlichen Volksgemeinschaft viele Naturschützer von der Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten abgeschreckt. Uekötters Argumentation klingt überzeugend und wird hinreichend belegt. Doch zumindest in methodischer Hinsicht erscheint es problematisch, eine disparate Naturschutzbewegung einer einheitlichen ,,NS-Ideologie" gegenüberzustellen, die es so nicht gab. Der Autor erwähnt dies zwar auch, doch die häufige Verwendung des Ausdrucks ,,Nazi ideology" kann den Eindruck erwecken, hier würde vereinfacht.

Das dritte Kapitel thematisiert die institutionelle Entwicklung des Naturschutzes bis in die 1940er Jahre und befasst sich ausführlich mit der Verabschiedung und den Folgen des Reichsnaturschutzgesetzes (RNG) von 1935. Dieses habe viele Naturschützer, trotz ernüchternder Erfahrungen während der ersten beiden Jahre der NS-Herrschaft, glauben lassen, jetzt würden ihre Forderungen endlich umgesetzt. Insbesondere die reichsweite Gültigkeit des Gesetzes, die Pflicht zur Konsultation von Naturschutzstellen bei Eingriffen in die Landschaft und die Möglichkeit zur entschädigungslosen Enteignung von Land seien als große Errungenschaften angesehen worden. Uekötter weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das RNG politisch nicht so harmlos gewesen sei, wie lange behauptet wurde. Gerade der Enteignungsparagraf 24 sei nur in einem totalitären Staat möglich gewesen und habe den von den Nationalsozialisten propagierten Grundsatz ,,Gemeinnutz geht vor Eigennutz" in Gesetzesform gebracht.

Vier während des ,,Dritten Reiches" ausgetragene Naturschutzkonflikte sind Thema des vierten Kapitels: der ,,Kampf" um den Berg Hohenstoffeln, die Errichtung des Naturschutzgebietes Schorfheide, die Begradigung der Ems sowie der geplante Bau eines Wasserkraftwerks im Südschwarzwald, das die malerische Wutachschlucht stark verändert hätte. Uekötter zeigt damit Chancen und Grenzen des Naturschutzes in jenen Jahren auf. Am Hohenstoffeln konnten Naturschützer durch die Intervention Heinrich Himmlers die Schließung eines Steinbruchs erreichen. Die Wutachschlucht konnte ebenfalls in ihrer ursprünglichen Form bewahrt werden, jedoch nur weil der Krieg den Staudammbau verhinderte. An der Ems erlitten Naturschützer eine Niederlage, weil den Interessen von Landwirten, die hinter der Flussbegradigung standen, im Rahmen der Autarkiepolitik eine viel größere Bedeutung zukam als dem Schutz von Landschaften. Warum die Nutzung der Schorfheide durch Hermann Göring als Jagdrevier, Wildhegegebiet und Ort zur Errichtung seiner Residenz ,,Carinhall" vom Autor als Beispiel für Naturschutzkonflikte thematisiert wird, bleibt unklar, da es offenbar keine naturschutzbedingten Auseinandersetzungen gab. Es drängt sich die Vermutung auf, hier sei versucht worden, unbedingt ein Beispiel aus den östlichen Landesteilen zu finden.

Das fünfte Kapitel ist der praktischen Naturschutzarbeit gewidmet. Diese habe, so Uekötter, vor allem im Beschreiben von Papier bestanden. Besonders die Zeit von 1935 bis 1939 sei von großer Aktivität gekennzeichnet gewesen. Es habe sich jedoch, so Uekötter, nicht um die ,,Hohe Zeit" des Naturschutzes gehandelt, wie der Chef der Reichsnaturschutzstelle Hans Klose jene Jahre 1948 nannte. Die Zahl der in jenen Jahren ausgewiesenen Schutzgebiete sei zwar so hoch wie nie gewesen. Doch bei der Betrachtung von deren Flächengröße erkenne man den Scheinerfolg des Naturschutzes, insbesondere im Vergleich zu den Eingriffen des Reichsarbeitsdiensts in die Landschaft.

Eben mit diesen Eingriffen in die Landschaft beschäftigt sich das sechste Kapitel. Es habe diese zwar gegeben, z.B. durch den Autobahnbau, durch Flussbegradigungen, durch Expansion der Industrie oder durch die Nutzung bis dahin brachliegenden Landes. Doch seien all diese Veränderungen weniger dem Nationalsozialismus geschuldet gewesen als der allgemeinen Modernisierung des Landes. Die meisten Projekte seien schon vor 1933 in Planung oder bereits begonnen gewesen. Außerdem bestand das ,,Tausendjährige Reich" eben nur zwölf Jahre und in dieser kurzen Zeit habe, anders als in China oder der Sowjetunion, die Landschaft nur wenig verändert werden können. Lediglich die Autarkiebestrebungen könnten in gewisser Hinsicht als genuin nationalsozialistischer Beitrag zur Landschaftsveränderung angesehen werden, da sie einige der genannten Entwicklungen beschleunigt hätten. Im Zusammenhang mit Landschaftsveränderungen sind die Planungen zur landschaftlichen Umgestaltung Osteuropas besonders hervorzuheben, die auch an anderen Stellen des Buches thematisiert werden. Naturschützer und Landschaftsgestalter, die diese Planungen maßgeblich beeinflussten, hätten sich hierbei tief in die genozidale Politik des NS-Regimes verstrickt - ein Kapitel der Naturschutzgeschichte, das lange verschwiegen worden sei. Ausführlich geht der Autor schließlich noch auf die Bauten des Obersalzbergs ein, die als eines der wenigen Landschaftsveränderungen des ,,Dritten Reiches" im kollektiven Gedächtnis der Deutschen haften geblieben sind. Nach Meinung des Rezensenten hätte hier jedoch die Betrachtung anderer Bauten, die ihre Umwelt nachhaltiger veränderten, näher gelegen, wie z.B. die Bunkerlandschaft rund um die ostpreußischen Seen.

Im siebten Kapitel beschäftigt sich der Autor mit dem Naturschutz nach 1945. Kennzeichnend seien dabei lange Zeit vor allem das Verschweigen der Verbindungen zum Nationalsozialismus und Kontinuitäten personeller, inhaltlicher und institutioneller Art gewesen. Uekötter schließt seine Darstellung mit der Warnung davor, die Quellen oberflächlich zu lesen und Zitate einseitig auszuwählen, wie ,,einige Historiker" es getan hätten (S. 208). Vielmehr müsse die gesamte Breite der Meinungen und Argumentationen betrachtet werden, um ein realistisches Bild der Naturschutzbewegung im Nationalsozialismus zu erhalten. Die wichtigste ,,Lektion" dieser Geschichte sei schließlich, dass selbst Naturschützer, die keine Nationalsozialisten gewesen sind, sich mit dem System arrangiert und es dadurch stabilisiert hätten, weil sie hofften, ihre Ziele in diesem Staat erreichen zu können.

Insgesamt ist der Band eine überzeugende und gut lesbare Darstellung der Naturschutzgeschichte im Nationalsozialismus. Die bereits genannten Unstimmigkeiten trüben das Urteil nur wenig. Hilfreich ist der im Anhang gebotene Überblick über die wichtigste Literatur zum Thema. Ein umfassendes Quellen- und Literaturverzeichnis fehlt jedoch und wurde vom Rezensenten schmerzlich vermisst.

Martin Bemmann, Freiburg

Fußnoten:


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