ARCHIV FÜR SOZIALGESCHICHTE
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Rezensionen aus dem Archiv für Sozialgeschichte online

Karin Hunn, ,,Nächstes Jahr kehren wir zurück...". Die Geschichte der türkischen ,,Gastarbeiter" in der Bundesrepublik (Moderne Zeiten. Neue Forschungen zur Gesellschafts- und Kulturgeschichte, Bd. XI), Wallstein Verlag, Göttingen 2005, 598 S., geb., 46,00 €.

Dass es heute noch möglich und vor allem spannend ist, die Geschichte der türkischen Arbeitsmigranten in Deutschland zu erforschen und dabei neue Erkenntnisse zu Tage zu fördern, das beweist die hier anzuzeigende umfangreiche und flüssig geschriebene Studie von Karin Hunn. Ihr gelingt es, die nationale Engführung, die die bundesdeutsche Migrationsforschung prägt, zu überwinden. Die Autorin nimmt die Prämisse, dass Integration ein wechselseitiger Prozess ist, ernst und legt Ihrer Arbeit nicht nur deutsche Quellen zugrunde, sondern auch türkische. So erfasst sie ein breites Spektrum der Rahmenbedingungen des Integrationsprozesses auf türkischer wie auf deutscher Seite.

Ihr Anliegen ist es, die Geschichte der türkischen Zuwanderer in die Bundesrepublik als Teil der bundesdeutschen Geschichte ins Bewusstsein zu rücken. Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich von Beginn der staatlichen Anwerbung türkischer Arbeitskräfte mit dem Anwerbeabkommen von 1961 bis in die Mitte der 1980er-Jahre, als sich nach Ablauf des Rückkehrförderungsgesetzes im Juni 1984 herausstellte, dass sich die Einwanderung aus der Türkei nicht durch finanzielle Anreize rückgängig machen ließ. Diese Erkenntnis ging mit der Verlagerung der Ausländerdebatte von den Arbeitsmigranten zu den Asylbewerbern einher. Da die Integration der in Deutschland lebenden Türken Mitte der 1980er Jahre keinesfalls abgeschlossen war, schließt die Untersuchung mit einem Ausblick auf die Entwicklung bis zum Ende der 1990er Jahre.

Die zeitliche Gliederung der Arbeit orientiert sich an der klassischen Phaseneinteilung der bundesdeutschen Ausländerpolitik und bietet damit ein Indiz für die starke Abhängigkeit der Türkei und der türkischen Migranten von der wirtschaftlichen Lage und den ausländerpolitischen Entscheidungen in der Bundesrepublik. Die Rezession von 1966/67, der Anwerbestopp von 1973 und die Einführung der Visumspflicht für türkische Staatsangehörige im Oktober 1980 lösten heftige Reaktionen auf türkischer Seite aus. Im Rahmen der vier Phasen der Ausländerpolitik analysiert die Autorin jeweils drei Ebenen: Die Stellung der türkischen Migranten auf dem bundesdeutschen Arbeitsmarkt, die türkische und die deutsche Migrationspolitik sowie die sozialen und gesellschaftlichen Dimensionen des Einwanderungsprozesses, speziell die soziale und politische Ausdifferenzierung der türkischen Einwanderergesellschaft.

Die Autorin hat die zahlreichen deutschen und türkischen Quellen einer gründlichen Auswertung unterzogen. Für die türkische Seite waren hier besonders die türkischen Zeitungen ergiebig. Unterlagen der Gewerkschaften und der Arbeiterwohlfahrt, die von der Bundesregierung offiziell mit der Betreuung der türkischen Arbeitnehmer beauftragt waren, bildeten zusammen mit der Ministerialüberlieferung die zentralen Quellen zur Ermittlung der bundesdeutschen Integrationsbereitschaft. Die in den 1970er- oder 1980er-Jahren erschienene Sekundärliteratur hat die Autorin zum Teil auch als Primärquellen benutzt, weil sie zeitgenössische Denkmuster und Diskussionen transportierten.

Gleich im ersten großen Abschnitt, für den Zeitraum von 1961 bis 1966/67, scheint die Leitfrage dieser Untersuchung auf, warum es die türkischen Zuwanderer - im Vergleich mit Arbeitsmigranten aus anderen Ländern - besonders schwer hatten, sich in der Bundesrepublik einzuleben bzw. warum es ihnen gegenüber besonders viele Vorbehalte seitens der Aufnahmegesellschaft gab. Im Gegensatz zu Anwerbeverträgen, die zuvor mit anderen Staaten geschlossen worden waren, enthielt das Anwerbeabkommen mit der Türkei 1961 eine Klausel, die den Arbeitsaufenthalt in der Bundesrepublik auf zwei Jahre begrenzte. Die Verfasserin widerlegt die gängige These, dass sich in dieser Bestimmung schon die Diskriminierung gegenüber den aus einer fremden außereuropäischen Kultur stammenden Zuwanderern abzeichnete. Es ist ihrem methodischen Vorgehen, auch die türkischen Quellen einzubeziehen, zu verdanken, dass die Autorin das Interesse der türkischen Regierung an dieser restriktiven Klausel - die übrigens 1964 zurückgenommen wurde - nachweisen und somit die These von der frühzeitigen Benachteiligung der türkischen Zuwanderung vonseiten der Bundesregierung widerlegen kann.

Hunn zeigt, dass die Herkunft der türkischen Arbeiter aus einem islamisch geprägten Land in dieser Frühphase der Zuwanderung kein Anlass von Benachteiligung bei der Anwerbung in den Betrieben oder der Gesellschaft war. Nicht wenige Betriebe nahmen Rücksicht auf die kulturellen und religiösen Bedürfnisse ihrer türkischen Beschäftigten, indem sie beispielsweise Gebetsräume zur Verfügung stellten. Wenn türkische Arbeitnehmer enttäuscht und unzufrieden mit den Verhältnissen in Deutschland waren, dann lag dies meistens daran, dass sie oft unterhalb ihrer beruflichen Qualifikation eingesetzt wurden oder aber mit den technisierten Arbeitsabläufen nicht zurecht kamen und vertraglich zurückgestuft wurden. Eine wichtige Ursache von Enttäuschung bei den türkischen Zuwanderern lag in fehlender oder falscher Information über die Verhältnisse in Deutschland.

Bis zur Wirtschaftskrise 1966/67 war die Türkei zum wichtigsten Arbeitskräftelieferanten der Bundesrepublik aufgestiegen. Von der Wirtschaftskrise waren die türkischen Arbeitskräfte besonders in Mitleidenschaft gezogen, weil es infolge des Fehlens einer Arbeitslosenversicherung in der Türkei kein Arbeitslosenversicherungsabkommen mit der Türkei gab, das den in ihre Heimat zurückgekehrten, von deutschen Betrieben entlassenen türkischen Arbeitnehmern die Möglichkeit eröffnet hätte, in der Türkei Versicherungsleistungen zu beziehen. Diese Wirtschaftskrise förderte wie unter einem Brennglas die enorme wirtschaftliche und politische Abhängigkeit der Türkei von der Arbeitskräfteentsendung in die Bundesrepublik zutage. Doch weder in Deutschland noch in der Türkei provozierte die Krise ein Überdenken der bisherigen Arbeitskräfteentsendepolitik. Hinsichtlich einer klaren und kohärenten Zielvorgabe wäre eine größere Abstimmung unter den beteiligten Ressorts der Bundesregierung geboten gewesen. Auf türkischer Seite hätte man den Schluss ziehen können, sich nicht länger auf die Arbeitsmigration nach Deutschland als Wirtschaftsfaktor verlassen zu wollen.

Der zweite große Abschnitt des vorliegenden Bandes behandelt die Phase zwischen 1968, dem Abflauen der Wirtschaftskrise, und dem Anwerbestopp von 1973. Der Schock der Wirtschaftskrise hatte keineswegs ein Nachlassen der türkischen Zuwanderung zur Folge. Seit 1972 stellten die Türken die größte Gruppe ausländischer Arbeitnehmer in der Bundesrepublik. Die große Zunahme der türkischen Bevölkerung in relativen und absoluten Zahlen lag auch in einem wachsenden Familiennachzug begründet, abzulesen am steigenden Anteil nichterwerbstätiger türkischer Wohnbevölkerung. Die Tatsache, dass die politischen Verhältnisse in der Türkei den Auswanderungsdruck erhöhten, dass immer mehr Familienmitglieder folgten und dass der Anteil illegal nach Deutschland eingewanderter Türken stieg, verschob die Wahrnehmung der türkischen Arbeitsmigranten in der Bundesrepublik beträchtlich. Im Zuge allgemein größerer Skepsis gegenüber ,,Gastarbeitern" rückten die türkischen Migranten allein aufgrund ihrer zahlenmäßigen Stärke besonders ins Blickfeld. Ausdruck dieser veränderten Einstellung der Mehrheitsgesellschaft gegenüber der türkischen Minderheit war, soziale Probleme, die sich auf brisante Weise in den zur Ghettoisierung neigenden, prekären Wohnbedingungen zeigten, mit vermeintlich typischen, kulturell bedingten Verhaltensweisen der türkischen Migranten zu erklären. Mit dem Nachzug ihrer Familienangehörigen und den Niederlassungstendenzen veränderten sich die Bedürfnisse der türkischen ,,Gastarbeiter". So maßen sie ihrer Religion und der Erziehung ihrer Kinder größere Bedeutung bei. Statt dies zu erkennen oder anzuerkennen, reagierte die bundesdeutsche Öffentlichkeit jedoch mit diffusen Ängsten und Fehleinschätzungen. Auch die türkische Regierung verhielt sich passiv. Islamischer Religionsunterricht für türkische Kinder blieb ein Desiderat. Dieses Defizit begünstigte wiederum das Entstehen und Wirken radikaler Migrantenorganisationen in der Bundesrepublik.

Der dritte große Abschnitt umfasst die Zeit nach dem Anwerbestopp vom November 1973 bis zum Ende des Jahrzehnts. Ungeachtet des Anwerbetopps setzte sich der Einwanderungsprozess aus der Türkei fort - während die anderen ,,Gastarbeiter"-Nationalitäten einen deutlichen Rückgang zu verzeichnen hatten. Die Autorin geht in diesem Kapitel der Frage nach, warum die schon zu Beginn der 1970er Jahre als kulturelle Problemgruppe wahrgenommenen türkischen Migranten am Ende des Jahrzehnts als zentrales Problem der Ausländerpolitik definiert wurden. Anders als andere Nationalitäten neigten die türkischen Migranten dazu, selbst in Krisenzeiten nicht in ihre Heimat zurückzukehren und weiterhin Familienmitglieder nach Deutschland kommen zu lassen. Damit gerieten sie zwangsläufig in den Fokus der auf ,,Konsolidierung" abzielenden Ausländerpolitik. Viele der von der Wirtschaftskrise und dem Anwerbestopp bzw. dem Inländerprimat betroffenen türkischen Arbeitnehmer flüchteten in illegale Beschäftigungsverhältnisse, etwa als Erntehelfer. Dadurch rutschten die türkischen ,,Gastarbeiter" weiter in die Rolle der ,,Reservearmee" auf dem Arbeitsmarkt hinein, die die Arbeit verrichtete, zu der sich weder Deutsche noch EG-Ausländer bereit fanden.

Nicht nur in beschäftigungspolitischer Hinsicht, sondern auch gesellschaftlich standen die Zeichen für die türkische Bevölkerung in den 1970er Jahren eher auf Separation denn auf Integration. Gleichermaßen von der türkischen wie von der deutschen Regierung in ihren religiösen und politischen Interessen vernachlässigt, wandten sich die türkischen Zuwanderer vermehrt radikalen türkischen Organisationen in der Bundesrepublik zu. Türkische Linke und Rechte trugen ihre Auseinandersetzungen auch in der bundesdeutschen Öffentlichkeit aus und verfestigten damit den Eindruck, dass türkische islamisch geprägte Interessenvertretungen in Deutschland einen ernst zu nehmenden Unruhe- und Gefahrenherd darstellten. Insbesondere der Streit um die Koranschulen 1977/78 trug dazu bei, dass die in den 1960er Jahren noch als harmlos betrachtete islamische Religion und Kultur der Zuwanderer zunehmend als gefährlich und integrationsfeindlich empfunden wurden. Am Ende der Siebzigerjahre war die durch den Zielkonflikt zwischen ausländerpolitischer Konsolidierungspolitik mit Zuzugsbegrenzung einerseits und Integrationsangeboten an die im Lande lebenden Ausländer andererseits gekennzeichnete Ausländerpolitik sichtbar gescheitert.

Den letzten großen Abschnitt für die Zeitspanne 1981 bis 1984 sieht die Autorin ganz im Zeichen des im November 1983 verabschiedeten Rückkehrförderungsgesetzes. Kennzeichnend für die weitere Verschärfung des Klimas speziell gegenüber türkischstämmigen Ausländern war das Unvermögen oder die Weigerung vieler Deutscher, zwischen türkischen ,,Gastarbeitern" und türkischen Asylbewerbern zu unterscheiden. Vor dem Hintergrund steigender Arbeitslosenzahlen, der einsetzenden Zuwanderung von Armutsflüchtlingen nach Westeuropa sowie seit 1979 steigender Asylbewerberzahlen aus der Türkei gewann - neben weiteren Zuzugsbeschränkungen - der Gedanke der Rückkehrförderung für nicht aus EG-Ländern stammende Ausländer an Attraktivität. Da die Rückkehrförderung auf einen eng begrenzten Personenkreis zugeschnitten war und da viele Türken immer noch die Endgültigkeit des Schrittes, in ihre Heimat zurückzukehren, scheuten, blieb der erhoffte Erfolg aus. Wirkungsvoller war die von Ethnisierung und Ausländerfeindlichkeit durchsetzte Ausländerdebatte in der ersten Hälfte der 1980er-Jahre. Sie erzeugte bei den Migranten ein tiefes Gefühl des Unerwünschtseins und bewog viele sich stärker mit ihrer islamischen Wertewelt zu identifizieren.

In ihrer Schlussbetrachtung weist die Autorin darauf hin, dass es verfehlt wäre, die Schwierigkeiten des türkischen Einwanderungsprozesses in erster Linie auf die islamische Kultur der Einwanderer zurückzuführen. Bis zu dem Zeitpunkt, als die türkische Einwanderung - vornehmlich aus wirtschaftlichen Gründen - als unerwünscht galt und der Anpassungsdruck auf die schon im Land lebende türkischstämmige Bevölkerung zunahm, störte sich kaum jemand an der islamischen Kultur der türkischen Einwanderer. Dann aber kursierten Worte wie ,,Zwangsgermanisierung" auf türkischer und ,,Überfremdung" auf deutscher Seite, mit denen sich scheinbar kulturell motivierte Ängste in Minderheits- und Mehrheitsgesellschaft gleichermaßen artikulierten und gegenseitig verstärkten. Die Impulse für diese Selbst- und Fremdethnisierung kamen nicht zuletzt aus dem Selbstverständnis von Türken und Deutschen. Während Türken ein historisch bedingtes Minderwertigkeitsgefühl gegenüber den wirtschaftlich und technisch weiter entwickelten westeuropäischen Ländern verinnerlicht hatten, betrachteten sich Deutsche als ethnisch und kulturell homogene Gesellschaft und bezogen daraus ihr nationales Selbstverständnis. Die unübersehbare wirtschaftliche Abhängigkeit der Türkei von der Bundesrepublik sowie die Ablehnung der Türken ausgerechnet in dem Land, dem sie sich am meisten verbunden fühlten, vergrößerte den Diskriminierungskomplex auf türkischer Seite und provozierte Verhaltensweisen - von Rückzugstendenzen bis hin zum ostentativen Nationalismus -, die die deutsche Gesellschaft wiederum in ihren Vorurteilen über den mangelnden Integrationswillen der Türken bestätigten. Es gehört zur ausgewogenen Darstellung dieser Studie, dass sie Beispiele von gelungener Integration nicht unterschlägt, z.B. die Herausbildung eines türkischen Mittelstands oder Emanzipationsbestrebungen türkischer Frauen. Diese Beispiele unterstreichen die Vielschichtigkeit des Integrationsprozesses.

Obwohl eine historische Arbeit, wenn sie sich weit an die Gegenwart heran begibt, Gefahr läuft, tagespolitische Bewertungen aufzunehmen, ist es der Autorin der vorliegenden Studie doch als Verdienst anzurechnen, dass sie ihrem Schlusskapitel einen Ausblick folgen lässt. In ihm behandelt sie den Zeitraum von Mitte der 1980er- bis Ende der 1990er-Jahre, in dem das ausländerpolitische Klima durch Morde an türkischen Asylbewerbern und ,,Gastarbeitern" eine bisher unbekannte Zuspitzung erfuhr. Widersprüche innerhalb der Entwicklung bei der türkischen Bevölkerung, aber auch gegensätzliche Entwicklungen im Verhältnis deutscher und türkischer Bevölkerung kennzeichneten diese Periode. Innerhalb der türkischen Bevölkerung zeichnete sich ein sozialer Wandel ab, festzumachen an der sinkenden Geburtenrate bei türkischen Frauen. Ihr stand aber noch eine verbreitete Heiratsmigration gegenüber. Junge türkische Migranten bevorzugten nach wie vor Ehefrauen aus ihrer türkischen Heimat, die sie nachkommen ließen. Zu beobachten war ebenfalls eine soziale Ausdifferenzierung der türkischen Bevölkerung in der Bundesrepublik. Seit Ende der 1980er-Jahre gründeten sich erstmals professionelle Zusammenschlüsse von Selbständigen oder Akademikern. Gegen Ende der 1990er-Jahre hatte sich ein türkischer Mittelstand herausgebildet. Dem stand die nach wie vor überdurchschnittlich hohe Arbeitslosenquote unter den Türken gegenüber, die mit 23 Prozent im Jahre 1998 über der aller Ausländer in der Bundesrepublik mit 18 Prozent und über der der deutschen Bevölkerung mit zehn Prozent lag. Immer noch waren die Angehörigen der ersten ,,Gastarbeitergeneration" weitgehend als ungelernte, angelernte oder Facharbeiter tätig und in diesen unteren Lohnsegmenten besonders von Arbeitslosigkeit bedroht. Dies war auch auf die Rückständigkeit der türkischen Bevölkerung in bildungspolitischer Hinsicht zurückzuführen. Im prozentualen Vergleich mit Migrantengruppen anderer Nationalität besuchten Ende der 1990er-Jahre weniger türkische Schüler weiterführende Schulen, aber mehr türkische Schüler die Hauptschule. In staatspolitischer Hinsicht eröffneten die Reform des Ausländergesetzes 1990 und des Staatsangehörigkeitsrechts 1999 den in der Bundesrepublik lebenden Ausländern - zumindest theoretisch - neue Möglichkeiten der Integration. In der Praxis wirkten sich allerdings hohe Verwaltungsgebühren und andere Vorschriften hinderlich auf eine breite Akzeptanz dieser Angebote aus.

Vor dem Hintergrund der seit 1984 wieder steigenden Asylbewerberzahlen eskalierte die alltägliche Bedrohungssituation von Fremden in der Bundesrepublik, wovon türkische ,,Gastarbeiter" besonderes betroffen waren. Durch die Zuspitzung des Kurdenkonfliktes in der Türkei stieg die Zahl türkischer Asylbewerber in der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre tatsächlich stark an. Die seit 1985 verübten rassistischen Gewaltverbrechen trafen sowohl türkische Bewohner von Asylbewerberheimen als auch - 1992 und 1993 in Mölln und Solingen - von Wohnhäusern, in denen seit langem in Deutschland ansässige türkische ,,Gastarbeiter" wohnten.

Positive Integrationsangebote auf der einen, Morde auf der anderen Seite kennzeichnen folglich die Zeitspanne bis zur Jahrtausendwende. Indem die Autorin den Leser mit dem Ausblick auf diese widersprüchliche Entwicklung entlässt, gelingt es ihr, die Verknüpfung von Geschichte und Gegenwart und damit auch das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass die Migrationsgeschichte nicht nur Teil deutscher Gesellschaftsgeschichte ist, sondern auch zu deren spannendsten Kapiteln zählt. "Es wäre wünschenswert, wenn die Arbeit von Karin Hunn Impulse für ähnlich komplexe Studien zu anderen Einwanderernationalitäten in der Bundesrepublik geben könnte, um die Geschichte der "Gastarbeiterbevölkerungen" als Teil der bundesdeutschen Gesellschaftsgeschichte abzurunden. Mit ihrer Untersuchung hat die Autorin eine wegweisende Studie vorgelegt , die die Migrations- und Integrationsgeschichte einer nationalen Zuwanderergruppe in ihrer Komplexität zu analysieren vermag.

Elke Hauschildt, Koblenz


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