ARCHIV FÜR SOZIALGESCHICHTE
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Rezensionen aus dem Archiv für Sozialgeschichte online

Harald W. Jürgensonn (Hrsg.), Köln unterm Hakenkreuz. Die Jahre 1933-1945 in der Domstadt, DuMont Literatur und Kunst Verlag, Köln 2003, 95 S., kart., 7,90 €.

Aus Anlass des 70. Jahrestages der nationalsozialistischen Machtübernahme erschien im Januar und Februar 2003 in der Kölner Boulevardzeitung Express die zwölfteilige Serie ,,1933: Als Köln braun wurde" von Harald W. Jürgensonn. Die große Resonanz unter der Leserschaft bewog das Verlagshaus M. DuMont Schauberg, die Artikel als Sonderdruck an Schulen zu verteilen und mit kleineren Ergänzungen schließlich als Buch zu publizieren.

Der so entstandene 96-seitige Band ,,Köln unterm Hakenkreuz" soll nach den Worten des Herausgebers des Express, Alfred Neven DuMont, ,,nicht nur geschichtlicher Abriss der damaligen Ereignisse" sein, sondern auch ,,eine Mahnung, dass wir nie vergessen dürfen, was unter der NS-Barbarei geschah" (S. 9). Das Buch basiert auf der bislang erschienenen Literatur sowie zahlreichen Zeitzeugen-Aussagen aus dem Archiv des Kölner NS-Dokumentationszentrums, mit dessen Unterstützung die Serie entstand.

Ebenso wenig wie die Artikelserie richtet sich auch das Buch an Wissenschaftler oder Kenner der Historie; vielmehr sollen vorrangig Menschen mit allenfalls geringem Interesse an Geschichte angesprochen werden. Dazu soll offenbar auch die durchgängige Verwendung einer saloppen, mitunter flapsigen Sprache beitragen. Hitlers Machtübernahme liest sich beispielsweise so: ,,Am 30. Januar 1933 läuft der zum Bersten gefüllte Gülle-Sumpf Deutschland über." (S. 10). Über die Folgen des Luftangriffs von 1.000 Bombern auf Köln am 30. Mai 1942 heißt es: ,,Der Nazi-Alltag gehört nicht zu den 496 Toten, er hat die Bombennacht überlebt" (S. 82). In Anbetracht der Intention des Buches ist es verständlich, dass ,,Köln unterm Hakenkreuz" mit keinen neuen inhaltlichen Erkenntnisse aufwartet, zumal Express-Redakteur Jürgensonn auf eigene Quellenrecherchen verzichtet hat. Aber auch wer eine kompakte, verständliche Zusammenfassung der Jahre 1933 bis 1945 in Köln erwartet, muss beim Lesen inhaltliche Abstriche machen.

Die zwölf Kapitel skizzieren ansatzweise die wichtigsten Facetten der NS-Zeit in der Domstadt. Dazu gehören beispielsweise die Machtübernahme, der ,,Alltag im braunen Köln", die Verfolgung von Juden, Sinti und Roma sowie der Kirchen, der Widerstand gegen das NS-Regime und die Kriegsereignisse. Jedes Kapitel ist nach dem gleichen Schema aufgebaut: Auf die etwas ausführlicheren Informationen zu dem in der Kapitelüberschrift genannten Thema folgen neben zahlreichen Illustrationen sehr knappe Angaben zu anderen Aspekten der nationalsozialistischen Diktatur. Am Ende berichten Zeitzeugen über ihre Erinnerungen an das eigentliche Thema des Kapitels. Die raschen Wechsel des Sujets mögen für einen Zeitungsartikel angemessen sein, in einem Buch aber wirken sie mitunter eher verwirrend. Zum Beispiel geht es im Kapitel ,,Die Verführung der Jugend" auf Seite 56 streiflichtartig zunächst um Kinder und Jugendliche. In den beiden folgenden Absätzen werden die Themen Denunziation und ,,Gleichschaltung" der Presse dargestellt. Eine stringentere inhaltliche Strukturierung wäre nicht nur hier für das Leseverständnis ausgesprochen hilfreich gewesen. Der Hinweis auf die ,,Gleichschaltung" der Presse im Februar/März 1933 hätte sich beispielsweise in das Anfangskapitel ,,Die Machtübernahme" einbetten lassen.

Neben der Stringenz mangelt es oft auch an der Einordnung der Kölner Ereignisse in reichsweite Entwicklungen zwischen 1933 und 1945. Dies gilt beispielsweise für die Beschreibung des Schicksals der Kölner Sinti und Roma. Bei der von örtlichen Buchhändlern initiierten Bücherverbrennung in Köln am 10. Mai 1933 sucht man ebenfalls vergebens nach einem Hinweis auf die entsprechenden Aktionen im Deutschen Reich an jenem Tag.

Bei der Darstellung der Rolle der Kirchen finden sich neben wichtigen Fakten auch einige recht undifferenzierte bzw. pauschale Urteile wie etwa ,,Die Nazis haben in Köln den Glauben entmachtet" (S. 41). Über die Protestanten heißt es: ,,[Sie] scheuen Solidarität mit Unterdrückten und Verfolgten anderen Glaubens" (S. 38). Der an dieser Stelle sicher angebrachte Hinweis auf die früh erfolgte Spaltung der evangelischen Kirche Deutschlands in die oppositionelle ,,Bekennende Kirche" und die regimetreuen ,,Deutsche Christen" fehlt dagegen. Die vorgenannten Ereignisse und Entwicklungen als bekannt vorauszusetzen, verbietet sich angesichts der primären Zielgruppe von ,,Köln unterm Hakenkreuz". Ihre Relevanz zu leugnen, wäre gleichermaßen unangebracht.

Angesichts der erwähnten größeren Schwächen des Buches fallen einzelne kleinere inhaltliche Ungenauigkeiten weniger auf. Das Beitrittsdatum der ,,Alten Kämpfern" wird von der Zeit bis zum 30. Januar 1933 auf ,,vor 1930" datiert. Der langjährige Landeshauptmann der Rheinprovinz und NS-Gegner Dr. Johannes Horion wird als ,,NS-Landeshauptmann" bezeichnet.

Punktuell leistet das Buch einen anerkennenswerten Beitrag zur Aufarbeitung der NS-Zeit in der Domstadt. Nachdrücklich wird die Legende widerlegt, der Nationalsozialismus habe im liberalen Köln nie richtig Fuß gefasst. Ebenso deutlich werden die Durchdringung des Kölner Karnevals durch die Nationalsozialisten und der nachträgliche Versuch von Karnevalisten, diese Tatsache zu vertuschen, angeprangert. Zudem benennt der Autor die Teilnahme vieler Kölner an der Versteigerung des Besitzes von Juden in der Messe Deutz beim Namen. Die beachtenswerte Erwähnung dieser Fakten wiegt jedoch die vorgenannten Schwächen des Buches bei weitem nicht auf.

Dass die Artikelserie heute bereits zum Unterrichtsmaterial an Kölner Schulen gehört, wirft insgesamt gesehen ein eher trauriges Licht auf die lokale Geschichtsforschung. Ein präziser und zusammenfassender Band über Köln im Nationalsozialismus, der auch für den Schulunterricht genutzt werden kann, steht noch immer aus.

Jürgen Zieher, Magdeburg


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