ARCHIV FÜR SOZIALGESCHICHTE
DEKORATION

Rezensionen aus dem Archiv für Sozialgeschichte online

Carlos Fernández Rodríguez, Madrid clandestino. La reestructuración del PCE en Madrid, 1939-1945, Fundación Domingo Malagón, Madrid 2002, 424 S., geb., 20 EUR.

Das Buch von Carlos Fernández verkörpert den neuen Aufschwung, den die historische Forschung über die frühe Diktatur Francos in den letzten Jahren in Spanien genommen hat. Fernández’ Untersuchung behandelt den nach dem Ende des spanischen Bürgerkrieges von der Kommunistischen Partei Spaniens (Partido Comunista de España, PCE) im Untergrund geleisteten Widerstand. Eines der größten Verdienste des Buches ist zweifellos die Tatsache, dass es dem Autor gelungen ist, unbekannte Quellen von bestimmten bisher geschlossenen Archiven eingesehen zu haben.

In dem Buch werden die verschiedenen Umstrukturierungen des kommunistischen Parteivorstandes in Madrid während der Nachkriegszeit gezeigt. Die Protagonisten dieser Geschichte sind die Hunderte von unbekannten Angehörigen der Partei. Die meisten dieser Kämpfer wurden festgenommen und abgeführt, was normalerweise trübe Aussichten für sie darstellte. Erschießungen und Folter waren die üblichen Verfahren der Unterdrückungskräfte der Diktatur. Der Widerstand begann jedoch noch vor dem Ende des Krieges Formen anzunehmen. Die Probleme waren dabei beträchtlich, denn die ersten Widersacher Francos hatten nicht nur den Sicherheitskräften Paroli zu bieten, sonden auch ihren Mangel an Vorbereitung auf das Leben im Untergrund und auf die fortdauernde ideologische Spaltung von Kommunisten, Anarchisten und Sozialisten zu bewältigen.

Die erste noch recht mangelhafte Wiederherstellung der PCE wurde anfangs durch kleine und versprengte Gruppen von Kommunisten ausgeführt. Die Leitung der Partei musste am Ende des Bürgerkrieges das Land verlassen und ihre Mitglieder gingen nach Frankreich, in die Sowjetunion oder nach Lateinamerika ins Exil. Während der unmittelbaren Nachkriegszeit war also der Zweck die Suche nach Angehörigen oder Sympathisanten, die noch in Spanien blieben. Der schwächliche politische Apparat und die gnadenlose Verfolgung jener Jahre hatten zur Folge, dass die ersten Versuche zur Rekonstruktion der Infrastruktur der Partei innerhalb Spaniens häufig scheiterten und ihre führenden Vertreter festgenommen wurden.

Madrid, in seiner Eigenschaft als Hauptstadt, wurde von den führenden Leiter der kommunistischen Partei als Zentrum der Untergrundbewegung angesehen. Die erste bedeutsame Umstrukturierung nach 1939 wurde von einem Mitglied der Kommunistischen Internationale, Heriberto Quiñones, vollzogen. Quiñones übernahm 1940 die Leitung des untergründigen politischen Apparates. Er ließ sich ein Leitungsorganigramm gestalten und traf strenge Sicherheitsmaßnahmen zur Bewahrung der Mitglieder der Partei vor Festnahmen und Anzeigen. Ihm war es auch zu verdanken, dass eine neue politische Richtlinie verfolgt wurde, die sogenannte "Nationale Einheit". Quiñones suchte die Vereinigung sämtlicher Gegners Francos, um das Regime zu entmachten. Die neue Politik führte ihn aber zur Konfrontation mit der Leitung der Partei in Mexico, an deren Spitze Vicente Uribe stand. Die führenden Persönlichkeiten in Mexiko schienen die wahre Lage innerhalb Spaniens zu verkennen. Deswegen versuchten sie, eine neue politische Leitung nach Spanien zu schicken, um Quiñones zu verdrängen. Ihre Absichten scheiterten, denn sie wurden unmittelbar nach ihrer Ankunft festgenommen. Die politischen Tätigkeiten von Quiñones dauerten aber auch nicht viel länger, weil sein Kreis nach mehreren Monaten zerschlagen wurden. Nur Jesús Carreras, ein Mitarbeiter von Quiñones, konnte der Katastrophe entrinnen und mit anderen Kamaraden bis zu seiner Festnahme Anfang 1943 die Partei in Madrid führen. Carreras führte teilweise die Pläne von Quiñones fort, indem er sich darum bemühte, die kommunistischen Parteistrukturen über Madrid hinaus auszuweiten. Nach der Zerschlagung seines Kreises übernahm Jesús Monzón die Führung. Monzón war ein Mann mit Erfahrung, denn er hatte die Partei nach dem Bürgerkrieg in Frankreich wieder hergestellt. In Madrid setzte er bis 1945 die von Quiñones entwickelten Richtlinien fort, wobei er auch konservative und monarchistische Kreise in diese Politik eingliedern wollte.

Im letzten Teil des Buches befasst sich Carlos Fernández mit dem Einmarsch von über 5000 Guerrillakämpfern in Spanien durch das Arán-Tal. Dies war die größte Wiederstandsaktion (genannt "Wiedereroberung Spaniens" – Reconquista de España) nach dem Ende des Bürgerkrieges. Von innen aus wurde das Unternehmen von Jesús Monzón arrangiert. Es handelte sich um einen Versuch, der das nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa gegenüber Francos Diktatur herrschende gegnerische Klima nutzen wollte. Die meisten spanischen guerrilleros hatten vorher in verschiedenen Kreisen des französischen Widerstandes oder in Einheiten der Alliierten gekämpft, sodass einige von ihnen schon auf einen neunjährigen Kampf gegen den Faschismus zurückblicken konnten und viele von ihnen noch jahrelang innerhalb Spaniens gegen Francos Sicherheitskräfte weiterkämpften. Nach der Unterwerfung Deutschlands hatten sie sich Hoffnungen gemacht, mit Hilfe der europäischen Mächte in Spanien eine nationale Erhebung entfachen zu können. Das Unternehmen brach jedoch zusammen, weil die spanische Gesellschaft nicht so reagierte, wie die Verschwörer dies erwartet hatten und auch die europäischen Länder letztlich nichts davon wissen wollten. Von diesem Zeitpunkt an setzten kleine Gruppen von guerrilleros die Untergrundtätigkeit innerhalb Spaniens weiter fort. Dies war die neue Politik der PCE in Spanien bis zum Ende der Vierzigerjahre.

"Madrid clandestino" gehört zu einem weitergehenden historischen Forschungsprojekt, mit dem sich Carlos Fernández gerade beschäftigt. Das hier rezensierte Buch ist das Ergebnis einer Untersuchung zur Ausführung seiner Diplomarbeit; hoffentlich wird auch sein Promotionsthema als Buch erscheinen: Unter der Leitung von Luis Enrique Otero Carvajal, Professor an der Universidad Complutense in Madrid, erforscht der Verfasser den städtischen Widerstand in Madrid von Ende 1944 bis 1947, und davon kann er uns im nächsten Buch berichten. Abschließend ist noch ein letzter Vorzug des Buches hervorzuheben, nämlich ein ausführliches Verzeichnis der Mitglieder des PCE in Madrid und ihrer verschiedenen Leitungen nach dem Bürgerkrieg.

José María López Sánchez, Madrid





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