Rezensionen aus dem Archiv für Sozialgeschichte online
Margaret Collins Weitz, Frauen in der Resistance, Unrast Verlag, Münster 2002, 427 S., Ln., 25 EUR.
"Ihr Frauen", sagt Favier, "kümmert euch um den Kleinen, gebt ihm Suppe zu essen und legt ihn hin, wenn er müde ist. Wir tragen ihn, wenn wir zu Jean aufbrechen." Ich stehe gehorsam auf. "Nicht Sie! Ich habe meine Frauen gemeint. Sie sind ja ein Mann! .Bleiben Sie bei uns." Ich betrachte meinen Bauch und denke an meine Auftritte bei der Gestapo mit der ewigen Leier von meiner unehelichen Schwangerschaft. Hat all das etwas Männliches? Warum muss das größte Kompliment, das ein Mann einer Frau machen kann, darin bestehen, ihr zu sagen: Sie schreiben, Sie arbeiten, Sie handeln wie ein Mann? [...] Ich war zutiefst gekränkt über dieses Urteil, das mich an einem Stereotyp maß. Diesem Mann, der uns empfängt und mich mit solcher Güte ansieht, antworte ich barsch: "Ich fühle mich als Frau sehr wohl in meiner Haut, wissen Sie; was ich getan habe, war die Arbeit einer Frau, einer schwangeren Frau obendrein, was Ihnen nie passieren wird!" (Zitat aus Lucie Aubrac, Heldin aus Liebe. Eine Frau kämpft gegen die Gestapo, DTV, München 2000).
Sicherlich eine typische Erfahrung, die Frauen, die aktiv ihren Beitrag in der französischen Résistance leisteten, machen mussten. Ihr Beitrag zur Befreiung Frankreichs vom Faschismus wurde bislang nicht im notwendigem Maße wahrgenommen bzw. unterschätzt. Frauen waren in unterschiedlicher Weise und mit den verschiedensten Aufgaben in der Résistance aktiv, hatten aber mit den üblichen patriarchalen Rollenvorstellungen zu kämpfen. Zum einen mussten sie selber mit eingeübten und gewohnten Mustern brechen, mussten eine neue Perspektive im eigenen Umfeld (Familie oder Freundeskreis) durchsetzen. Zum anderen mussten sie ihre Entschlossenheit und Tatkraft gegen die tradierten patriachalen Vorstellungen ihrer männlichen Mitstreiter beweisen. So weigerte sich z.B. der Militär und Traditionalist de Gaulle in London lange Zeit, Frauen aktive Aufgaben im Kampf gegen die Besatzung zu übertragen. Schwierig genug, in einer Zeit, in der es in Frankreich kein Stimmrecht für Frauen gab und die "Kinder-Küche-Kirche"-Propaganda öffentlich den Platz der Frauen in der Gesellschaft bestimmte. Diese für Frauen restriktive Propaganda wurde von Petain im Vichy-Frankreich fortgesetzt und verstärkt.
In ihrer Untersuchung über die Rolle der Frauen in der französischen Résistance interviewte Margaret Collins Weitz über achtzig ehemalige weibliche Widerständlerinnen, einige männliche sowie Familienangehörige. "Ich habe dabei versucht, ein so weites soziales, kulturelles, bildungsmäßiges und geografisches und politisches Spektrum einzubeziehen, wie überhaupt nur möglich." Es gelingt ihr, anhand dieser vielen Einzelaussagen einen umfassenden Eindruck des Alltagsleben der Frauen im besetzen Frankreich und auch ihre unterschiedlichen Aktivitäten im Widerstand zu vermitteln. Nicht das Spektakuläre wird in den Vordergrund gerückt, sondern gerade die Lebensumstände und -bedingungen. Vor diesem Hintergrund lässt sich viel eher das Ausmaß, der Aufwand und das nicht nur persönliche Risiko für einzelne Widerstandsaktivitäten einschätzen. Viele der Datenangaben im Text bieten eine sinnvolle zeitliche Chronologie. "Obwohl die Résistance etwas mehr als vier Jahre aktiv war, änderte sich während dieser Zeit die Lage in Frankreich stetig zeitweise sogar von einem Tag auf den anderen. Die Einsätze wurden immer schwieriger und gefährlicher, je weiter der Krieg sich entwickelte und je mehr die Nazis ihren Zugriff festigten."
Was verstanden die Kämpfenden eigentlich unter dem Begriff Widerstand? Für Pétain war im August 1941 in einer vom Rundfunk übertragenen Rede klar, "dass die Notwendigkeit bestand, den Widerstand aller zu zerschlagen, die sich der Ordnung widersetzten." Der Historiker Henri Michel definiert "Résistance" als jegliche Handlung, die die Bedingungen des Waffenstillstandsabkommens bricht, das Frankreich und Deutschland am 22. Juni 1940 unterzeichnet hatten, oder die im Widerspruch zur Anwendung dieser Bedingungen steht unabhängig davon, wo diese Handlungen ausgeführt werden und von wem." Doch nicht alle weiblichen Widerstandskämpferinnen, deren Aktivitäten dieser Definition gerecht wurden, verstanden oder bewerteten ihren Beitrag als Widerstand, so z. B. die bereits zitierte Lucie Aubrac. Sie bewertet ihre ersten Aktivitäten 1940 als simple Reaktion auf die Niederlage, als Gewissensfrage. Allerdings: Zu Beginn der Besatzung entschieden sich erst wenige Menschen für diesen Schritt. Mögliche Gründe stellten u.a. Patriotismus, moralische und religiöse Grundüberzeugungen, politische Einstellungen und Visionen, aber auch Abenteuerlust, Lust auf Veränderung dar. Bei Kriegsende waren viele französische Menschen in der Résistance aktiv, die Nachkriegsregierung erkannte offiziell 220.000 Männer und Frauen als WiderständlerInnen an. Darin nicht enthalten sind die, die unbekannt blieben, umkamen oder ihr Vorkriegsleben wieder aufnahmen. "Neben denen, die sich Netzwerken oder Gruppierungen anschlossen, gab es noch viele, die der Résistance auf andere Weise halfen. Frauen, die von der Gestapo gesuchte Personen versteckten einen politischen Flüchtling, einen Juden, einen alliierten Flieger oder einen resistant riskierten bei ihrer Entdeckung den Tod, während sie davon ausgehen konnten, das Flieger oder Soldaten in ein Kriegsgefangenenlager geschickt werden würden. Viele dieser Frauen gehörten aber nicht unbedingt einer Résistance-Organisation an. Auch Frauen, die in den Städten blieben und insgeheim maquis-Einheiten unterstützten, riskierten mehr als die Männer des Maquis, die sich auf dem Land versteckten und zumeist bewaffnet waren."
Deutlich wird, dass Frauen unterschiedlichster Herkunft, unterschiedlichster Ansichten in allen Bereichen der Résistance aktiv waren. Sie organisierten Werkstätten und das nötige Material, sie druckten illegale Zeitungen, schrieben Artikel, um der faschistischen Propaganda etwas entgegenzusetzen, zum Widerstand aufzurufen. Sie waren als Botinnen, Kundschafterinnen und Verbindungsagentinnen tätig. Sie organisierten Fluchten: Jüdische Menschen, Erwachsene und Kinder wurden über die Grenze geschmuggelt, um sie vor der Deportation zu retten. KampfgefährtInnen wurden aus Lagern oder den Händen der Gestapo befreit. Sie organisierten bzw. unterstützen die maquis-Einheiten, vom Unterricht in Kampftechniken über ideologischen Fragen bis hin zur Ernährung. Sie hatten das Kommando über mehrere Tausend Männer. Sie kämpften mit der Waffe. Sie fälschten Papiere und vieles mehr. Und neben diesen Tätigkeiten lastete i.d.R. auch in den Organisationen die Verantwortung der Reproduktionsarbeit auf den Frauen. Ob es darum ging, Gefangene in Haft mit Wäsche und Nahrung zu versorgen, die Menschen im Maquis mit Lebensmitteln zu unterstützen, vor oder nach einem wichtigem Treffen ein gehaltvolles Essen bereitzustellen oder versteckte Menschen zu versorgen, gegebenenfalls eine Unterkunft, ein Bett zu organisieren. Diese Aufgabenverteilung schien selbstverständlich und blieb unhinterfragt. Margaret Collins Weitz macht deutlich, dass es unter diesen Umständen sowohl zu gewollten Liebesbeziehungen kam, die nicht immer gern gesehen wurden, aber auch zu sexuellen Belästigungen und -übergriffen, bis heute ein Tabu.
Dem widersprüchlichem Thema Kollaboration nähert sich Margaret Collins Weitz vielschichtig und vorsichtig. Sind (Liebes-)Beziehungen mit dem Feind bereits Kollaboration, was bedeutet dass für Agentinnen, Spioninnen, die der Résistance Informationen beschafften? Was bedeutet und bewirkt das öffentliche Vorführen geschorener junger Frauen, denen Kollaboration, in diesem Fall sexuelle Beziehungen mit dem Feind vorgeworfen werden? "Das Kahlscheren von horizontalen Kollaborateurinnen, wie sie bisweilen genannt wurden, entsprach einem tief empfundenen Bedürfnis nach nationaler Katharsis." Es gab allerdings auch eindeutige Fälle der Kollaboration mit dem Vichy-Regime bzw. den deutschen Besatzern, die durch Verrat oder Bespitzelung Tote und Festnahmen unter den WiderständlerInnen bewirkte, oft zum eigenen materiellem Vorteil der Kollaborateurin.
Das letzte Kapitel behandelt die Frage nach den Frauen und dem Erbe der Résistance und ist eher resignierend. Den in der Résistance aktiven Frauen ist gemeinsam, dass sie mit Rollenvorstellungen brachen und mutig ungewohnte Aufgaben und Verantwortung übernahmen. Trotz ihrer außergewöhnlichen Erfahrungen kehrten viele der weiblichen Widerständlerinnen in ihr gewohntes, normales Leben zurück. "Bei Kriegsende hatte ich einen Mann, einen während des Krieges geborene Sohn und eine kleine Tochter, die in London auf die Welt gekommen war. Ich wünschte mir ein Zuhause. Ich war seit fünf Jahren verheiratet, hatte aber nie ein Familienleben gehabt. In meiner Dummheit wünschte ich mir eine zusätzliche Garnitur Bettwäsche und mehr als zwei Teller im Porzellanschrank. Ich hatte nichts. Das waren damals unsere Wünsche" (Lucie Aubrac, s.o.). Margaret Collins Weitz resümiert, dass die Widerstandstätigkeiten wenig dazu getan hätten, die französische Nachkriegsgesellschaft nachhaltig zu verändern, vielleicht hätten sich einige Entwicklungen beschleunigt. "Der seit 1945 verbesserte Status von Frauen in vielen anderen Ländern sowie die Stärke des Feminismus in vielen Ländern, unabhängig davon, ob es dort Krieg oder Widerstand gegeben hat legt diesen Schluss nahe."
Kaum eine dieser Frauen wurde im Nachkriegsfrankreich nach ihrem Leben unter der Besatzung oder im Widerstand gefragt. Kaum eine berichtete von sich aus gegenüber den Angehörigen, den Kindern von dem Erlebten, den Motiven. Erst in den 70er-Jahren gab es erste Berichte von Frauen, die sich hauptsächlich mit den Erfahrungen in den Konzentrationslagern beschäftigten. Motivation zu diesem Zeitpunkt war es, Zeugnis in Prozessen abzulegen oder der (neo)faschistischen Propaganda zu widersprechen. Der Prozess gegen Klaus Barbie, "den Schlächter von Lyon", rückte die Diskussion um die französische Besatzungszeit in den Mittelpunkt des allgemeinen Interesses. Es wurde begonnen, die Rolle der Vichy-Regierung und ihre Rolle bei der Unterstützung der Politik der deutschen Nationalsozialisten, auch in Bezug auf die "Endlösung", die Ermordung der europäischen Juden, zu diskutieren. Diese Diskussion ist noch nicht abgeschlossen.
Die vielen ausführlichen, aber in den Zusammenhang gerückten authentischen Einzelaussagen machen das Buch lesenswert, würdigen die in der Résistance aktiven Frauen. Im Anhang werden einige weibliche Widerständlerinnen kurz vorgestellt, auch das ist eine Bereicherung. Auffällig und dann doch überraschend ist, dass der Begriff "gender", obwohl als Kategorie tauglich, nicht auftaucht. Margaret Collins Weitz ging es in erster Linie um eine Gesamtdarstellung, das ist ihr gelungen.
Raphaela Kula, Bielefeld