ARCHIV FÜR SOZIALGESCHICHTE
DEKORATION

Rezensionen aus dem Archiv für Sozialgeschichte online

Hans Pohl, Die rheinischen Sparkassen. Entwicklung und Bedeutung für Wirtschaft und Gesellschaft von den Anfängen bis 1990, Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2001, 320 S., geb., 45 EUR.

Die Geschichte der deutschen Sparkassen ist insgesamt recht gut erforscht. Hauptsächlich in Form von Festschriften für einzelne Institute oder Sparkassenorganisationen sowie durch Arbeiten, die vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband in Bonn veröffentlicht oder gefördert wurden, liegt inzwischen eine Vielzahl von Arbeiten vor. Die Studie von Hans Pohl reiht sich einerseits in diesen Strom ein – bereits das leuchtende "Sparkassenrot" des Einbandes sowie das Vorwort des Präsidenten des Rheinischen Sparkassen- und Giroverbandes verdeutlichen die enge äußere Anbindung dieser Regionalstudie an ihren Gegenstand. Andererseits will Pohl auch neuere Ansätze der Unternehmensgeschichte aufgreifen, die in vielen älteren Festschriften zu kurz gekommen waren. Vor allem möchte er die rheinischen Sparkassen nicht isoliert analysieren, sondern die Wechselwirkung von Sparkassentätigkeit und gesamtgesellschaftlicher Entwicklung mit in den Blick nehmen.

Folgerichtig beginnt das erste Kapitel mit einem knappen Abriss der Wirtschafts- und Sozialstruktur der preußischen Rheinprovinz nach 1815, dem ein Überblick über die Antworten von Staat und Gesellschaft auf die soziale Frage folgt. Vor diesem Hintergrund zeichnet Pohl die Gründung der Sparkassen in der Rheinprovinz seit den 1820er-Jahren nach. Diese lehnten sich an das Berliner Vorbild an, wo 1818 das erste derartige Geldinstitut eingerichtet worden war. Hauptzweck der Sparkassen war die Armenfürsorge: Sie trugen das Bankgeschäft in untere Gesellschaftsschichten, gaben diesen über das Sparen die Chance zur Selbsthilfe, leisteten aber auch einen Beitrag zur Sozialdisziplinierung. Zugleich sollten sie die Städte von den hohen finanziellen Lasten der Armenfürsorge entlasten; deswegen ging die Initiative zur Gründung der Kassen zumeist auch von den Kommunen und Kreisen aus. Dagegen prägten Gewinnorientierung oder ein aktiver Unternehmergeist diese Einrichtungen zunächst kaum.

Daraus erklärt sich auch, dass der Anteil der Sparkassen am ökonomischen Aufschwung der Rheinprovinz in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht überschätzt werden sollte. Sie trugen zwar wesentlich dazu bei, Kleinkapital von Handwerkern und weniger finanzkräftigen Gewerbetreibenden zu mobilisieren – denn Privat- und Großbanken kümmerten sich kaum um diesen Kundenkreis. Da die Sparkassen aber ihre Möglichkeiten, das Sparen zu fördern, zumindest bis zur Jahrhundertwende nicht voll ausschöpften, ist laut Pohl die Bedeutung dieser Geldinstitute für die regionale Wirtschaftsentwicklung nicht sehr hoch anzusiedeln.

Auch für die Folgejahrzehnte geht der Autor auf die Rahmenbedingungen, das organisatorische Umfeld und die Geschäftsbereiche der Sparkassen ein. Für das "Dritte Reich" macht er etwa deutlich, dass das Regime auch dieses Segment der deutschen Kreditwirtschaft dazu instrumentalisierte, die Kaufkraft der Bevölkerung abzuschöpfen; die Sparkassen fungierten als Kapitalsammelstellen des Staates, der auf diesem Weg einen Teil der verdeckten Aufrüstungsmaßnahmen finanzierte.

Allgemein liefert Pohl, der sich im Wesentlichen auf die vorhandene Literatur ohne erneutes Quellenstudium stützt, eine überzeugende Analyse der rheinischen Sparkassen. An verschiedenen Stellen des Buches hätte man sich jedoch eine engere Verbindung der sparkassengeschichtlichen Erkenntnisse mit allgemeinen ökonomischen Trends, regionalgeschichtlichen Befunden und der Gesamtentwicklungen der Gesellschaft gewünscht. Zum Beispiel bleiben viele sozialgeschichtliche Fragen, etwa nach den Mitarbeitern der Sparkassen, offen. So stellt Pohl im Kapitel für die Nachkriegszeit fest, dass es bis 1945 eine "starke personelle Verflechtung" zwischen "den Organen der von Nationalsozialisten beherrschten Gewährträger" (S. 193) einerseits und den ehrenamtlichen Sparkassenvorständen andererseits gegeben habe. Im Kapitel zum NS-Regime selbst erfährt man dazu aber leider nichts Genaueres. Ein breiterer sozial- und gesellschaftsgeschichtlicher Rahmen hätte der Arbeit deswegen gut getan, wenngleich sie auch in der vorliegenden Form eine deutliche Verbesserung gegenüber vielen älteren sparkassengeschichtlichen Studien darstellt.

Kiran Patel, Berlin





DEKORATION

©Friedrich Ebert Stiftung | Webmaster | technical support | net edition ARCHIV FÜR SOZIALGESCHICHTE | August 2002