ARCHIV FÜR SOZIALGESCHICHTE
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Rezensionen aus dem Archiv für Sozialgeschichte online

Frank Schumacher, Kalter Krieg und Propaganda. Die USA, der Kampf um die Weltmeinung und die ideelle Westbindung der Bundesrepublik Deutschland, 1945-1955 (= Mosaic. Studien und Texte zur amerikanischen Kultur und Geschichte, Band 10), Wissenschaftlicher Verlag Trier, Trier 2000, kart., 64,50 DM.

Zu den spannendsten Aufgaben gegenwärtiger Geschichtswissenschaft gehört die Konzeptionalisierung der Geschichte des Ost-West-Konflikts. Frank Schumachers Untersuchung der amerikanischen Auslandspropaganda zwischen 1945 und 1955 fügt sich in eine Reihe von Arbeiten ein, die sich der symbolischen Auseinandersetzung zwischen West und Ost als gleichberechtigte, wenn nicht unter dem Eindruck des nuklearen Patts sogar primäre Konfliktarena des Kalten Krieges widmen. Unter dieser Voraussetzung führen die Propaganda-aktivitäten der USA direkt zum Kern des Kalten Krieges, der sich zu einem guten Teil als Kampf um die "Weltmeinung" beschreiben und charakterisieren lässt.

Schumachers Kölner Dissertation gliedert sich in zwei Teile. In einem ersten Abschnitt wird der allgemeine Rahmen der amerikanischen Auslandspropaganda gezeigt, ihre Geschichte, ihre Konzeption und Organisation. Anschließend geht es um den konkreten Anwendungsfall amerikanischer Propaganda auf die Besatzungszone der USA in Deutschland sowie die frühe Bundesrepublik. Die historischen Wurzeln des Versuchs, die Welt für Amerika einzunehmen, sieht Schumacher dabei in einer Verbindung traditionellen amerikanischen Sendungsbewusstseins mit Wilsons Konzept einer "Weltöffentlichkeit", die nach dem offensichtlichen Scheitern herkömmlicher - europäischer - Vorstellungen vom Funktionieren von Außenpolitik im Zeichen von Gleichgewichts- und Bündnispolitik zum entscheidenden Machtfaktor einer neuen, friedlichen und modernen internationalen Politik wird. Propaganda erhielt so integrale Bedeutung in einem außenpolitischen Gesamtentwurf - und vor allem das ließ sie Politik werden: Im Ersten Weltkrieg betrieben die USA zum ersten Mal in nennenswertem Umfang staatliche Propaganda. Doch von Anfang an gab es auch Kritiker. Ihnen galt jede regierungsamtliche Beeinflussung (sprich Manipulation) von Öffentlichkeit als undemokratisch und damit als mit den amerikanischen Idealen unvereinbar. Nachdem diese Stimmen, so Schumacher, in der Zwischenkriegszeit ein Übergewicht erlangt hatten, erreichte die Auslandspropaganda im und nach dem Zweiten Weltkrieg einen neuen Höhepunkt. Zwar verstummten die kritischen Stimmen nie ganz, aber unter der deutsch-japanischen, dann der sowjetischen Bedrohung kam es wieder zu jener Integration von Propaganda in das strategisch-sicherheitspolitische Gesamtkonzept, das der Beeinflussung der Weltmeinung hohen außenpolitischen Stellenwert zuwachsen ließ und Kritik keine Chance gab. Der Abbau der Propagandakapazitäten nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war so nur von kurzer Dauer, mit dem beginnenden Kalten Krieg ging ab 1947 eine enorme Ausweitung der Propagandaaktivitäten einher, und spätestens mit dem Verlust des Atommonopols war Auslandspropaganda endgültig ein erstrangiger Faktor im amerikanischen Machtkalkül geworden.

Inhaltlich ging es natürlich um die Auseinandersetzung mit dem sowjetischen Gegenmodell, im Vordergrund stand aber weniger die offensive Bekämpfung des Kommunismus als vielmehr der Zusammenhalt der "freien Welt", die Stärkung der gemeinsamen Abwehrbereitschaft und nicht zuletzt das Werben um Glaubwürdigkeit in Europa und anderswo. Neben Asien und seit Beginn der 50er-Jahre auch verstärkt Lateinamerika bildete dabei Deutschland den unbestrittenen Schwerpunkt der amerikanischen Auslandspropaganda. Die unter den Hohen Kommissaren John McCloy und James Conant für Propaganda zuständige Abteilung hatte mehr Mitarbeiter als jede andere, die Zahl der Beschäftigten ging in die tausende. Mit ihrer Hilfe und der einer Vielzahl weiterer Organisationen in Deutschland und den USA wurden Kampagnen konzipiert, Ausstellungen vorbereitet oder die vielfältigen Austauschprogramme vorangetrieben. Als größtes Problem stellte sich indessen aus amerikanischer Sicht die unter den Deutschen weit verbreitete Haltung des "emotionalen Neutralismus" heraus, der aus Wiedervereinigungshoffnungen, Widerstand gegen die Wiederbewaffnung oder Angst vor nuklearer Zerstörung gespeist die deutsche "Kampfmoral" in einem möglichen "heißen", aber auch schon im "kalten" Krieg ernsthaft zu bedrohen schien. Doch insgesamt waren die Propagandastrategen mit ihren Erfolgen zufrieden. Zwar vertrauten sie den Deutschen nie vollständig, aber durch Umfragen und die Person Adenauers leidlich beruhigt, glaubte man die (West-) Deutschen nicht zuletzt durch die eigene Tätigkeit unter Kontrolle.

Ein grundsätzliches Dilemma von Propaganda blieb allerdings – und das zeigte sich besonders im Fall des nur begrenzt souveränen Deutschland: Wollten sich die USA glaubhaft vom totalitären Herrschaftsanspruch der Sowjetunion abheben, durften sie nicht selbst den Eindruck hegemonialer Dominanz erwecken. Freiwilligkeit und Eigeninteresse mussten bei der Bildung der gemeinsamen Abwehrfront stets betont und praktisch vermittelt werden. Die Auflösung dieser "Ambivalenz des Instruments" Auslandspropaganda, die in dessen "zugleich demokratischen und autoritären Charakteristika" lag, gelang, folgt man Schumacher, letztendlich nicht. Im Zweifelsfall siegten die "machtpolitischen Realitäten des Ost-West-Konflikts"; man könnte auch sagen, die Propaganda war zu wichtig geworden.

Schumachers Arbeit kommt methodisch unaufdringlich daher. Die Art und Weise aber wie er Propaganda als "soft power" der internationalen Politik mit der außenpolitischen Ereignisgeschichte und dem strategisch-machtpolitischen Kalkül der USA verbindet, ist bemerkenswert. Und auch seine These, dass der massive Einsatz von Auslandspropaganda durch die USA keineswegs ausschließlich oder auch nur primär in der ideologischen Auseinandersetzung mit der Sowjetunion gründete, sondern tief in der amerikanischen Ideengeschichte verankert war, mag Licht auf die größeren Kontinuitäten lenken, in denen auch der Kalte Krieg stand. Lediglich die Darstellung der verwickelten Organisationsgeschichte scheint an manchen Stellen etwas zu breit geraten, und man hätte sich demgegenüber eine eingehendere Beschäftigung mit den personellen Aspekten amerikanischer Auslandspropaganda gewünscht. Dem überaus positiven Gesamteindruck tut dies keinen Abbruch, und man darf gespannt sein, wie sich Ergebnisse wie die Schumachers in weiteren Arbeiten, nicht zuletzt zur Frage nach dem Charakter des Kalten Krieges insgesamt, operationalisieren lassen.

Friedrich Kießling, Erlangen





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