ARCHIV FÜR SOZIALGESCHICHTE
DEKORATION

Rezensionen aus dem Archiv für Sozialgeschichte online

Hans-Jürgen Gerhard/Karl Heinrich Kaufhold (Hrsg.), Preise im vor- und frühindustriellen Deutschland. Nahrungsmittel – Getränke – Gewürze – Rohstoffe und Gewerbeprodukte (= Göttinger Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Band 19/20), Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2001, 543 S., geb., 95,99 EUR.

In der vorliegenden Publikation bieten uns die Herausgeber auf über 540 Seiten ein breites Menü an historischen Preisdaten zu Gewürzen, Getränken, Nahrungsmitteln, Rohstoffen und Gewerbeprodukten, die oft in den 1730er-Jahren beginnen und bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts reichen. Warum sind historische Preisdaten wichtig und interessant? Sie können erstens – gemeinsam mit Nominaleinkommen – Auskunft geben über den Lebensstandard (deren Erhöhung das Ziel jeglichen Wirtschaftens ist), sie können zweitens Marktintegrations- und Desintegrationsprozesse messen helfen und drittens über Produktivitätsentwicklung informieren: Wenn die Endpreise stärker sinken als die Inputpreise (inkl. Material, Lohn, Kapitalzins, Händler- und Unternehmereinkommen), dann wird in der Regel die Produktivität gestiegen sein.

Derart spannende Fragen können mit der neuesten Quellenpublikation der Göttinger Gruppe, die das Elsas-Preisarchiv betreut, angegangen werden, denn dieses Buch enthält eine Fülle von verschiedenen Preisen für so ungewöhnliche Produkte wie Pernambucque-Holz, Cochenille, Pastinackwurzeln und vieles mehr. Aber auch Standardprodukte (z.B. Bier) sind gut repräsentiert, sofern deren Preise nicht bereits in den vorangegangenen Bänden publiziert wurden. Es ist wahrhaft faszinierend, wie ausführlich die Preisinformationen sind. Alle Preise sind sinnvoll zusammengestellt und klar dokumentiert.

Die regional differenzierten Preisangaben erlauben zudem für mehrere norddeutsche Orte eine Untersuchung der Marktintegrationsprozesse, deren genaue regressionsanalytische Betrachtung derzeit eine wichtige Rolle in der internationalen Wirtschaftsgeschichte spielt. Kritische Punkte fallen bei dieser Quellenpublikation nicht ins Gewicht. Die Autoren betonen in ihrer ausgezeichneten Einleitung, dass die Angaben über Geldeinheiten benutzerfreundlicher gestaltet werden könnten, wenn ein entsprechendes Computerprogramm beigefügt worden wäre (S. 26). Aber der Rezensent sieht das Fehlen einer derartigen Speziallösung nicht so kritisch wie die Autoren des Bandes, wenngleich dies natürlich den Nutzerkreis deutlich erweitern würde. Auch wäre es für zukünftige Bände sicher sinnvoll und realisierbar (der Band wurde von der Stiftung Volkswagenwerk unterstützt), eine CD-ROM mit den Daten beizufügen.

Aber diese Details schmälern nicht die Leistung der Herausgeber und Bearbeiter. Die Möglichkeiten, die diese Quellenpublikation der analytischen Wirtschaftsgeschichte eröffnet, sind mannigfaltig und enorm. Auf dieser stabilen Basis können wir wichtige Aufschlüsse über die langfristige Entwicklung von Lebensstandard, Marktintegration und Produktivität gewinnen.

Jörg Baten, Tübingen





DEKORATION

©Friedrich Ebert Stiftung | Webmaster | technical support | net edition ARCHIV FÜR SOZIALGESCHICHTE | Juni 2002