ARCHIV FÜR SOZIALGESCHICHTE
DEKORATION

Rezensionen aus dem Archiv für Sozialgeschichte online

Hiltrud Kier, Karen Liesenfeld, Horst Matzerath (Hrsg.), Architektur der 30/40er Jahre in Köln. Materialien zur Baugeschichte in Köln. Mit Beiträgen von Kristin Ruschepaul und Regine Schlungbaum-Stehr (Schriften des NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln, Band 5), Emons Verlag, Köln 1999, 544 S., geb., 45 DM.

Der Band versammelt eine Anzahl von Beiträgen zur Kölner Baugeschichte der 30er und 40er Jahre, die bei Hiltrud Kier am Kunsthistorischen Institut der Universität Bonn im Rahmen von Seminaren mit Exkursionen entstanden und größtenteils von Karen Liesenfeld für die Veröffentlichung redaktionell überarbeitet worden sind. Den Auftakt machen zwei kenntnisreiche Beiträge zum einen zur nationalsozialistischen Stadtplanung und zum anderen zur Altstadtsanierung von Köln am Beispiel des Martinsviertels, letzterer in ähnlicher Form bereits andernorts publiziert, die eine sinnvolle Einführung in die Thematik des Bandes sind. Die zwölf weiteren Beiträge bieten gut informierte, detailreiche Überblicke über das öffentliche Baugeschehen, den katholischen und evangelischen Kirchenbau, den Bau von Büro- und Geschäftshäusern, von technischen Gebäuden, den Bau privater Wohnhäuser und öffentlich geplanter Wohnsiedlungen, schließlich den Bau von Bunkern und Kasernen sowie in den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs in größerem Umfang errichteten Behelfsheimen, bevor zuletzt ein Blick auf das Schicksal der Bauten der jüdischen Gemeinde von Köln geworfen wird. Fotos und abgedruckte Dokumente erhöhen die Anschaulichkeit sämtlicher Beiträge.

Anschließend katalogisiert ein dreihundertseitiges Bautenverzeichnis – ohne Anspruch auf Vollständigkeit, die schon aus Gründen der Quellenüberlieferung nicht zu leisten wäre – entsprechend den voranstehenden Beiträgen und in chronologischer Folge die Bauten, die während der 30er und 40er Jahre in Köln entstanden. Die Baubeschreibungen, zum Teil durch zeitgenössische oder neuere Fotos ergänzt, enthalten Angaben zur Entstehung und Ausführung, zu Bauherren, Architekten und Architektur sowie zum Erhaltungszustand und sind, wo immer möglich, mit Quellen- und Literaturangaben versehen. Neben den Kölner Denkmälerverzeichnissen und den "Stadtspuren"-Bänden erwies sich dabei die Kölner Stadtausgabe des Westdeutschen Beobachters als besonders wertvolle Quelle. Ein Vorzug dieses Bautenverzeichnisses ist es, dass es sämtliche Formen profaner und sakraler Bauten berücksichtigt und neben dem Erhaltenen auch durch Kriegseinwirkung oder Abriss verlorene sowie durch Wiederaufbau oder Umbau gegenüber dem Ursprungszustand veränderte Bauten porträtiert. Ein kleiner Mangel ist es indes, dass die einzelnen Rubriken nicht im Inhaltsverzeichnis erscheinen. So bedarf es längeren Blätterns bis man etwa die Seiten zu den Bunkern gefunden hat.

Zu begrüßen ist, dass der Band umfangreich die private Bautätigkeit einbezieht, ein Bereich, der besonders dazu angetan scheint, das überkommene Bild des nationalsozialistischen Bauens korrigieren zu können. Dass die privaten Bauten allerdings zu den öffentlichen Bauten und Planungen in einem Verhältnis stehen, "ähnlich wie damals die allgemeine Bevölkerung zu den Funktionären des NS-Regimes" (S. 11), ist eine unbekümmerte Äußerung, wie sie in einem Band der Schriften des NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln nicht getan werden sollte.

Zu fragen wäre außerdem, was der Band – etwa im Hinblick auf die Wohnsiedlungen (S. 125-149 und S. 438-455) – bietet, das über die Bände "Köln. Siedlungen" von Werner Heinen und Anne-Marie Pfeffer von 1988 hinausginge. Zunächst finden sich Angaben zu verschiedenen Siedlungen, insbesondere den vorstädtischen Erwerbslosensiedlungen der frühen dreißiger Jahre wie den Siedlungen Vogelsang, Bilderstöckchen und Ostheim, der Finnensiedlung und der Erweiterung der Märchensiedlung, die auch schon detailliert bei Heinen/Pfeffer beschrieben sind. Daneben finden sich auch zumeist knappere Angaben zu bislang noch nicht näher erforschten Siedlungen, die sich größtenteils auf zeitgenössische Beiträge des Westdeutschen Beobachters und Befragungen heutiger Bewohner stützen. Zusätzlich werden – wenn auch bruchstückhaft und rudimentär – Porträts von Siedlungen und Siedlungsteilen gezeichnet, die heute nicht mehr existieren. Die entsprechende Darstellung des Kölner Siedlungsbaus vornehmlich der 30er Jahre vermag – wiederum durch Auswertung des Westdeutschen Beobachters – zwar den bisherigen Kenntnisstand zu erweitern, doch die Auswahl der vorgestellten Siedlungen bleibt unbegründet.

Zu fragen wäre weiter, ob nicht eine thematisch spezifizierte Konzeption, wie sie etwa dem von Klaus Novy, Arno Mersmann und Bodo Hombach 1991 herausgegebenen "Reformführer NRW: soziale Bewegungen, Sozialreform und ihre Bauten" in den 20er Jahren zugrunde liegt, zu aussagekräftigeren Ergebnissen führt, als die hier geleistete Inventarisierung und architekturhistorische Einordnung. Wünschenswert wäre hier eine präzisere Fragestellung und die stärkere Einbettung des Baugeschehens in sozialgeschichtliche Kontexte. Im Ergebnis leistet der Band angesichts der Fülle des zusammengetragenen, für die Bauentwicklung Kölns während des Untersuchungszeitraums repräsentativen Materials einen wichtigen Beitrag, um am lokalen Beispiel die überkommenen Vorstellungen eines nationalsozialistischen Baustils zu korrigieren. Die Darstellung der Weiternutzung von Behelfsheimen und temporären Umnutzung von Kasernen und Bunkern zu Wohnzwecken über das Kriegsende hinaus wird, so wäre zu wünschen, einem Band "Architektur der 50er Jahre in Köln" vorbehalten bleiben.

Thomas Biewer, Köln





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