ARCHIV FÜR SOZIALGESCHICHTE
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Rezensionen aus dem Archiv für Sozialgeschichte online

Peter Maidl, "Hier ißt man anstadt Kardofln und Schwarzbrodt Pasteten ...": Die deutsche Überseewanderung des 19. Jahrhunderts in Zeitzeugnissen, hrsg. von Pankraz Fried (=Veröffentlichungen der Schwäbischen Forschungsgemeinschaft Augsburg Reihe 9, Historische Migrationsforschung in Bayrisch-Schwaben, Band 1), Wißner-Verlag, Augsburg 2000, XII + 340 S., Leinen, 49 DM.

Das Vorhaben der Schwäbischen Forschungsgemeinschaft ist lobenswert: regionale Geschichte soll in europäischen und globalen Dimensionen dargestellt werden. Die Durchführung ist jedoch kritikwürdig. Schon der Buchtitel ist irreführend. Es geht nicht um deutsche Überseewanderung sondern um bayrisch-schwäbische mit Schwerpunkt auf der Mitte des 19. Jahrhunderts. Die 67 Zeitzeugnisse (S. 17-321) werden von einer knappen Einleitung (S. 5-15) und einem ebenfalls knappen Quellen- und Literaturverzeichnis (S. 323-328) gerahmt. Positiv ist, dass neben den klischeehaft als "Land der unbegrenzten Möglichkeiten" bezeichneten Vereinigten Staaten auch Kanada, lateinamerikanische Staaten und Algerien (Dok. 52-62) als Ziele genannt und Rückwanderungen einbezogen werden (Dok. 63-67).

In der Einleitung und im Literaturverzeichnis werden nur Teile der besonders in den 1980er-Jahren an mehreren deutschen und amerikanischen Universitäten intensiv betriebenen Forschung zur Überseewanderung aus Deutschland wahrgenommen. Auch werden die veröffentlichten Quellen weder in die Archivbestände eingeordnet, aus denen sie stammen, noch regionalhistorisch sozial verortet. Die Verhältnisse, aus denen Menschen aus einzelnen Dörfern oder Städten ausgewandert sind, hätten, wenn auch nur beispielhaft, der Erläuterung bedurft, ebenso die Verhältnisse in den Zielregionen. Die Darstellung der gesetzlichen und verwaltungsmäßigen Rahmenbedingungen der Auswanderung bezieht sich offenbar nur auf Schwaben und nicht auf die deutschen Staaten insgesamt. Ein Teil der Dokumente zur Atlantikquerung und zur Ankunft in den USA sowie einige der Abbildungen sind schon veröffentlicht worden.

Insgesamt handelt es sich bei dieser Edition also um ein Werk, das sich an Menschen der Region richtet, die die Erinnerung an Vorfahren wach halten oder sich wieder bewusst machen wollen. Es ist zu hoffen, dass die im Geleitwort angekündigte Studie von Peter Maidl zur bayerisch-schwäbischen Auswanderung nach Nordamerika im 19. Jahrhundert den analytischen Rahmen zu der vorliegenden Dokumentensammlung liefern wird.

Dirk Hoerder, Bremen





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