ARCHIV FÜR SOZIALGESCHICHTE
DEKORATION

Rezensionen aus dem Archiv für Sozialgeschichte online

Michael Feldkamp/Inez Müller (Bearb.), Der parlamentarische Rat 1948-1949. Akten und Protokolle. Bd. 12: Ausschuss für Finanzfragen, R. Oldenbourg Verlag, München 1999, 700 S., geb., 130 DM.


Die Bestimmungen zur Finanzfrage, d. h. die Regelung der Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern bei der Steuererhebung und Steuerverteilung, war einer der Bereiche, die im Parlamentarischen Rat höchst umstritten waren; sowohl zwischen den dort vertretenen Parteien als auch zwischen der alliierten und der deutschen Seite kam es in dieser Frage zu erheblichen Differenzen. Im Finanzausschuss wurden diese Meinungsunterschiede zwar sichtbar, doch vertagte man deren Austragung gleichsam bis zu den Schlussverhandlungen im Hauptausschuss und im Plenum. Somit waren die Beratungen im Ausschuss für Finanzfragen selbst, der am 15. September 1948 zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenkam, geprägt durch ein hohes Maß an Sachorientierung und Sachkompetenz. Dies war nicht allein dem Einfluss des Ausschussvorsitzenden, Paul Binder (CDU), zuzuschreiben, sondern auch dem des ,,heimlichen" Vorsitzenden, dem ehemaligen preußischen Finanzminister Höpker Aschoff (FDP), der die Debatte nachhaltig prägte. Auf seine Initiative hin wurde eine Reihe von Sachverständigen eingeladen, die in den Ausschusssitzungen ihre Ansichten zur zukünftigen Organisation der Finanzverwaltung darlegten. In ihrer übergroßen Mehrheit sprachen sie sich für eine eher zentralistische Lösung, also für eine bundeseinheitliche Steuererhebung und die Schaffung einer Bundesfinanzverwaltung aus, ein Modell, das dann auch im Ausschuss selbst von den Vertretern von SPD, FDP und Zentrum befürwortet wurde. Dem gegenüber plädierten CDU, CSU und FDP in einem Minderheitenvotum für eine stärker dezentrale Lösung.
Damit war die Arbeit des Ausschusses bis zum 15. Dezember 1948 in 19 Sitzungen abgeschlossen, vor einer letzten Sitzung am 07. April 1949 scheiterte der Versuch einer Einigung zwischen den großen Parteien schon im Vorfeld. Stattdessen verlagerte sich die Diskussion in interfraktionelle Gremien sowie in den Hauptausschuss und in das Plenum, wo vor allem nach dem alliierten Veto gegen die bisher beschlossene Lösung nun ein Ausweg gesucht werden musste. Dieses Ergebnis ist bekannt: Nachdem die Militärgouverneure einen Teil ihrer Einwände zurückgezogen hatten und auch zwischen Unionsparteien und Sozialdemokratie ein gegenseitiges Nachgeben in unterschiedlichen, noch offenen Fragen des Grundgesetzentwurfes deutlich wurde, einigte man sich auf eine mittlere Linie.
Die Publikation lag in den bewährten Händen von Michael F. Feldkamp, der sie gemäß dem wissenschaftlichen Standard der bisher erschienenen Bände bearbeitet hat. Erneut wird in diesem Band deutlich, dass die Tätigkeit der Mitglieder des Parlamentarischen Rates zwischen Sacharbeit auf der einen und politischer Kompromissfähigkeit auf der anderen Seite wechseln musste. Gerade die Finanzfrage war hier ein herausragendes Beispiel.


Marie-Luise Recker, Frankfurt/Main


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