Archiv für Sozialgeschichte
Rezension

Volker Sieger, Die Wirtschafts- und Sozialpolitik der KPD von 1945 bis 1956, Verlag Peter Lang, Frankfurt/Main etc. 2000, 361 S., brosch., 98 DM.

Volker Siegers Bochumer Dissertation von 1998 befasst sich mit der Wirtschafts- und Sozialpolitik der KPD in Westdeutschland vom Kriegsende bis zum Verbot der Partei durch das Bundesverfassungsgericht. Sie gliedert sich in vier chronologische Kapitel. Das erste Kapitel resümiert auf der Basis der Literatur die Planungen im Exil während des Nationalsozialismus. Die Partei habe in dieser Zeit auf der Suche nach Bündnispartnern ihre Konzepte immer wieder verändert. Das zweite Kapitel, das die Hälfte des gesamten Textes ausmacht, widmet sich den Jahren bis zur Gründung der Bundesrepublik. Die Partei habe schnell Betriebsgruppen aufbauen können, doch nur bedingt in den Betriebsräten Fuß gefasst. Die Erfolge bei Landtagswahlen blieben hinter den Erwartungen zurück. Versuche, die SPD als Bündnispartner zu gewinnen, schlugen fehl. Die KPD habe sich bemüht, als Aufbaupartei zu agieren. Ihre Vorstellungen etwa von Agrarreform und Entnazifizierung der Wirtschaft seien gescheitert. Die anfängliche Unterstützung der Demontagen habe der Partei stark geschadet.

Das dritte und das vierte Kapitel behandeln die Zeit von der Gründung der Bundesrepublik bis 1956. Säuberungen und die Mutation zur Kaderpartei schwächten dem Verfasser zufolge die KPD. Die Partei habe sich zunehmend antiwestlich sowie national geriert und schnell an Akzeptanz in der Öffentlichkeit verloren. Statt sich an den Debatten über die Montanmitbestimmung und das Betriebsverfassungsgesetz zu beteiligen, habe sich die KPD immer mehr auf Konfrontationskurs mit den Gewerkschaften begeben und sich auf Lohnpolitik konzentriert. Dieser Kurs sei erst Mitte der Fünfzigerjahre einer moderateren Linie gegenüber den Gewerkschaften gewichen.

Siegers Dissertation basiert hauptsächlich auf Materialien der Zentralen von KPD und SED aus dem Bundesarchiv Koblenz und der Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv Berlin.

Zwei Dinge vor allem schränken den Wert der Arbeit ein. Erstens weist sie kein klares Konzept auf. Der Autor beginnt mit der Frage nach den Ursachen für den Misserfolg der KPD. Seine eigene Formulierung, er überprüfe „die Hypothese des quasi naturgesetzlichen Einflußverlustes" der Partei, frage also „nach der Zwangsläufigkeit ihres politischen Niedergangs" (beide Zitate S. 337), mag Befremden auslösen. Zudem eignet sich, wie der Autor selbst deutlich macht, eine Untersuchung der Wirtschafts- und Sozialpolitik nur bedingt, diese Frage zu beantworten (denn so bleiben etwa die Abhängigkeit von der SED und der westdeutsche Antikommunismus unterbelichtet). Weiterhin will der Autor vor allem ermitteln, „welche hemmenden Faktoren für die Entfaltung kommunistischer Wirtschafts- und Sozialpolitik in Westdeutschland existierten" (S. 9). Dazu hätte er den Kontext dieser Politik untersuchen müssen, was er kaum tut. Die vorliegende Arbeit präsentiert zwar viel empirisches Material. Doch dessen analytische Aufarbeitung enttäuscht.

Zweitens geht Sieger nirgends auf den Forschungsstand ein und verarbeitet die Literatur zum Thema nicht vollständig. Das Literaturverzeichnis führt nur deutschsprachige Titel auf. So fehlt auch die Oxforder Dissertation Patrick Majors von 1993 über die Geschichte der KPD in Westdeutschland 1945-1956 (als Monografie bei Oxford University Press 1997). Es überrascht, dass der Bochumer Autor diese Arbeit nicht kennt, dankt Major doch im Vorwort dem Bochumer Historiker Hans Mommsen für Unterstützung.

Sieger ergänzt das von der vorhandenen Literatur gezeichnete Bild um interessante Details. Zuweilen freilich fällt er auch hinter den Erkenntnisstand etwa von Major zurück. Überdies kann er sich nicht immer von der Aktensprache lösen. Passivformen und Substantivierungen prägen den Text. Insgesamt weist die Arbeit somit substanzielle Schwächen auf und bietet wenig Neues.

Philipp Heldmann, Mannheim



© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | November 2000