Archiv für Sozialgeschichte
Rezension

Maximilian Lanzinner, Zwischen Sternenbanner und Bundesadler. Bayern im Wiederaufbau 1945-1958, Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 1996, 439 S., geb., 68 DM.

Die vorliegende Arbeit, entstanden aus einer Vorlesung, wendet sich an ein breiteres Publikum, das eine allgemein verständliche, umfassend angelegte Überblicksdarstellung sucht. Diesen Anspruch versucht der Autor in vier großen Kapiteln einzulösen: Die Begründung der Demokratie in der Trümmerzeit, Alltag, Not und Politik 1945-1949, Wirtschaft und Gesellschaft im Wiederaufbau, Konsolidierung und Wandel in der Politik 1950-1958. Der Bogen ist weit gespannt, das Buch mit Graphiken, Statistiken und Bildern gut ausgestattet.

In einer solchen Darstellung kann vieles notwendigerweise nur auf knappem Raum abgehandelt werden, auch ist der Forschungsstand höchst unterschiedlich. Während zur Besatzungszeit und zur parteipolitischen Entwicklung in Bayern solide Arbeiten vorliegen, ist die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Fünfziger- und Sechzigerjahre, der Umbruch Bayerns vom Agrar- zum modernen Industriestaat bislang kaum erforscht. Insofern darf man nicht zuviel erwarten. Manches lässt sich mangels einschlägiger Sekundärliteratur nur kursorisch darstellen, zumal wenn das Ziel eine populär geschriebene Einführung ist.

Dennoch fehlt es gelegentlich an der richtigen Akzentuierung. Die Ausführungen zur amerikanischen Besatzungspolitik sind in der Schilderung mancher Szenen durchaus farbig, werden aber den Leistungen der Militärregierung keineswegs gerecht. Um ein Beispiel zu nennen: Wenn man schon den Morgenthau-Plan als Schreckensvision bemüht, dann muss eine seriöse Darstellung auch darauf hinweisen, dass die Vorschläge des amerikanischen Finanzministers intern von Anfang an äußerst umstritten waren und Roosevelt bereits zwei Wochen nach der Konferenz von Quebec (Sep. 1944) seinem Außenminister mitteilte, niemand wolle aus Deutschland einen Agrarstaat machen. Die Fehldeutung setzt sich dann fort, wenn man die grundlegende Besatzungsdirektive JCS 1067 vom 26. April 1945 als "Karthago-Direktive" zur "Beseitigung der deutschen Wirtschaftmacht" interpretiert (S. 20 f.). Tatsächlich forderte sie nur den selbstverständlichen Abbau der Kriegsindustrie ("industrielle Abrüstung"), enthielt aber keine Maßgabe zur radikalen Verringerung der Schwerindustrie. Auch waren die Ziele keineswegs rein destruktiv, wenn man an das Postulat der Demokratisierung denkt. Nicht minder oberflächlich bleiben die Ausführungen zur Entnazifizierung, die mehr das populäre Vorurteil einer tumben Militärregierung (angebliche Verhaftung von Kreisfeuerwehrmeistern) bedienen, während die eigentliche Problematik der notwendigen politischen Säuberung nach der NS-Diktatur und das zwangsläufige Scheitern einer verfehlten Massenentnazifizierung nicht thematisiert werden. Ähnliches ließe sich für andere Abschnitte sagen.

Auch wenn sich der Rezensent öfters eine knappe problemorientierte Vertiefung gewünscht hätte, liegt alles in allem doch eine faktenreiche, flüssig geschriebene Überblicksdarstellung vor. Sie dürfte besonders für Lehrer und andere Mittler der politischen Bildung von Nutzen sein, zumal ein zweiter Band für die 1960er und 70er Jahre folgen soll.

Clemens Vollnhals, Dresden



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