Archiv für Sozialgeschichte
Rezension

Christopher J. Berry, The Idea of Luxury - A conceptual and historical investigation, Cambridge UP, Cambridge 1994, 271 S., pbk., 13 £.

Berry erhebt in seiner Arbeit den Anspruch, den konzeptionellen Rahmen für die Verwendung des Begriffs „Luxus" zu schaffen, der sozusagen von allgemeiner Bedeutung für die westliche Zivilisationsgesellschaft ist. Entsprechend den methodischen Implikationen der Ideengeschichte legt er denn auch keine „Geschichte der Luxusgüter" vor und auch keine „Geschichte des Begriffs Luxus". Dennoch ist seine Arbeit insofern historisch angelegt, als Berry, zumindest punktuell, auf historische Begebenheiten zurückgreift, um sich seinem Sujet zu nähern.

Der Band unterteilt sich in vier größere Kapitel. In einem ersten einleitenden Teil umreißt er die wichtigsten abgrenzenden und sinnstiftenden Begriffe wie die Unterscheidung zwischen Notwendigem und Erwünschtem (needs and desires) anhand zeitgenössischer Konnotationen. Hier wie auch in den folgenden Kapiteln zieht er zumeist umgangssprachliche Begriffsverwendungen heran, bezieht sich also zumeist auf die alltagssprachliche Verwendung und Einschätzung der Begriffe. „Needs" sind objektivierbar: der menschliche Körper „braucht" Vitamin C; hingegen ist der Wunsch „desire" nach einem Stück Obsttorte immer subjektiv. Berry erarbeitet schließlich unterschiedliche Inhalte von Notwendigem und Erwünschtem und gelangt zu ersten Umschreibungen - zunächst ex negativo - des Begriffs Luxus: „Luxuries are those goods that admit of easy and painless substitution because the desire for them lacks fervency" (S. 41). Luxus ist redundant und damit überflüssig. Gesundheit zum Beispiel kann niemals Luxus sein, da Luxus immer etwas ist, was man nicht braucht. So ordnet er Luxus schließlich vier Kategorien zu: Sustenance, shelter, clothing und leisure. Allein in diesen Bereichen ist Luxus zu finden. Er belegt dies immer wieder mit Beispielen aus modernen Werbetexten.

In seinem zweiten Kapitel greift Berry in ausführlichen Textanalysen auf griechische und römische Autoren zurück und erarbeitet für die Antike den überwiegend negativ beleumundeten Begriff „Luxus". Hier steht er für Verweichlichung von Männern, für feminine, also unmännliche, Lebensformen, für ausufernde Sexualität. Diese Begrifflichkeit ist für die Neuzeit der Geschichte nicht übertragbar. Im folgenden dritten Teil schildert Berry die anschließende „Entmoralisierung" des Begriffs Luxus mit Beispielen aus dem Zeitalter der Aufklärung und beleuchtet den Zusammenhang von Luxus mit der aufkommenden kapitalistischen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts und zieht sodann wieder den Bogen bis in die aktuelle Zeit hinein.

In seinem vierten und letzten Kapitel greift Berry aktuelle Themen auf und nähert sich seinem Konzept von Luxus beispielsweise über Steuerpolitik („Luxussteuern") oder über empirische Untersuchungen zur Einschätzung der sozialen Lage der Bevölkerung. Freilich ist dabei die fundamentale Aussage trivial, dass jede Bestimmung dessen, was eine Gesellschaft als Luxus bezeichnet, schichten- und epochenabhängig ist. Die von Berry aufgeführten Beispiele im ersten und in diesem letzten Kapitel greifen immer punktuell in das späte 19. und frühe 20. Jahrhundert zurück und leisten dabei gerade diese Unterscheidung, nämlich schichten- und epochenspezifische Differenzen herauszuarbeiten, nicht. Wenngleich Berry völlig zuzustimmen ist, dass die Bestimmung von „Luxus" sehr viel aussagt über die betreffende Gesellschaft und ihre soziale Abstufung, ähnlich wie sich Armut immer relativ zum bestehenden Wohlstand der Gesellschaft definiert, so wird der Leser gerade diese Art der historischen Analyse nicht finden. Das war auch nicht das Konzept des ideengeschichtlichen Ansatzes. Jedoch bleibt ein Eindruck von Oberflächlichkeit hängen bei einem Versuch, 2000 Jahre Menschheitsgeschichte zwischen zwei Buchdeckel zu bringen. Für die noch zu schreibende historische Analyse des gesellschaftlichen Ortes von Luxus in einer fest umgrenzten Epoche jedoch hat Berry zweifellos Anregungen gegeben - dies wird wohl auch sein Ansinnen gewesen sein.

Merith Niehuss, München



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