Archiv für Sozialgeschichte
Rezension

Volker Depkat, Amerikabilder in politischen Diskursen. Deutsche Zeitschriften von 1789 bis 1830 (= Sprache und Geschichte, Bd. 24), Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 1998, 589 S., geb., 128 DM.

Amerikabilder sind ein beliebtes Thema der deutschen Literaturwissenschaft und Amerikanistik. Wie sich diese Bilder in größere sozial- und kulturhistorische Zusammenhänge einordnen lassen, welche Funktionen sie im politischen Denken und Handeln der Zeitgenossen übernahmen, welche Ideologie sie über das unmittelbare Objekt Amerika hinaus repräsentierten, diese Fragen hat eine auf einzelne Dichter und Denker sowie auf das verfassungsrechtliche Denken konzentrierte Forschung selten thematisiert. Depkat hingegen geht weit über die in der Literatur übliche Beschränkung auf die Inventur deutscher Amerikabilder und -stereotypen hinaus und leistet einen wichtigen Beitrag zur Geschichte politischer Diskurse im frühen 19. Jahrhundert. Zugleich versteht er es, methodisch innovativ Geistes- und Literaturgeschichte für die Untersuchung sozialer Phänomene fruchtbar zu machen. Abgesehen davon, dass er eine Lücke in der Erforschung deutscher Amerikabilder in der Ära »zwischen den beiden Französischen Revolutionen« schließt, steht für Depkat die Frage im Mittelpunkt, inwiefern Amerikabilder die Formierung der politischen Lager des Konservatismus und Liberalismus beförderten, da Amerika als real existierende Demokratie im Zeitalter der Revolutionen für die bestehende Ordnung von beunruhigender Brisanz war. Darüber hinaus betont er die konsensstiftende Funktion deutscher Amerikabilder und relativiert damit, vor allem in Auseinandersetzung mit Jürgen Habermas, den Konflikt zwischen (bürgerlicher) Öffentlichkeit und obrigkeitsstaatlicher Ordnung.

Als Quelle dienen etwa 200 Zeitschriften, die der Autor systematisch und mit großer Akribie und zum Teil mit quantitativen Methoden analysiert. Im ersten Teil lotet er die archäologische Tiefendimension des deutschen Amerikadiskurses aus und beschreibt die Rahmenbedingungen des publizistischen Redens über die Vereinigten Staaten, welche durch eine insgesamt schlechte Informationslage charakterisiert waren, da das dünne Rinnsal des transatlantischen Nachrichtenflusses auch nach dem Ende der Napoleonischen Kriege nur langsam anschwoll. Auch die Qualität der Berichte ließ zu wünschen übrig, da sie fast immer aus zweiter oder dritter Hand stammten, häufig aus französischen oder englischen Zeitschriften. Ausführlich widmet sich Depkat der »Eigengesetzlichkeit der Zeitschriftendiskurse«, d.h. dem publizistischen Profil der Publikationsorgane, dem politischen Interesse der Leser- und Herausgeberschaft sowie dem Problem der Zensur. Diese der inhaltlichen Auseinandersetzung vorgeschalteten institutionellen Faktoren dominierten nach Depkat gegenüber den partikularen sozialen Interessen der Autoren (und des Publikums).

Im zweiten Teil analysiert Depkat dann ausgewählte Texte in ihrer gegenseitigen Bezogenheit und im Kontext aufklärerischer Debatten über Amerika als einem Land des Fortschritts, der Freiheit und der Revolution. Während die amerikanischen Verhältnisse vielen Liberalen anfangs »als ebenso globaler wie diffuser ideologischer Steinbruch« dienten (S. 287, so aber auch schon die ältere Forschung), verloren die USA diese Funktion noch vor der Jahrhundertwende. Amerika diente nun als Negativfolie zur Verständigung »über das in Deutschland Nicht-Mögliche« (S. 418), und die Auseinandersetzung mit der Verfassungswirklichkeit in den USA bekräftigte den monarchistischen Konsens in Deutschland. Während Amerika, wie keineswegs unterschlagen wird, »im Ganzen betrachtet, zwischen 1789 und 1830 ein marginales Thema auf den Seiten deutscher Zeitschriften war« (S. 33), und, dies sei kritisch angemerkt, die weitreichenden Schlussfolgerungen zur politischen Kultur der Restaurationsepoche daher möglicherweise auf einer zu schmalen Quellenbasis beruhen, hat Depkat mit seiner Untersuchung zur Rezeption der USA vor allem in methodischer Hinsicht Neuland beschritten und dürfte daher auch von Nicht-Amerikaspezialisten mit Interesse gelesen werden.

Philipp Gassert, Heidelberg



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