Plattform der KPÖ zu den Europaparlamentswahlen

Alternativen der Europapolitik

1. Einleitung

Internationalismus ist seit je ein Wesenszug des Kommunismus. Völkerverständigung, offene Grenzen für die freie Bewegung von Menschen und Ideen zählen zu den kommunistischen Idealen.

Deshalb steht die KPÖ auch der Idee einer gesamteuropäischen Zusammenarbeit prinzipiell positiv gegenüber.Das kann aber nicht den Blick für die Tatsache verstellen, daß die EU das Europa der Konzerne und des großen Geldes verkörpert. Zudem endet Europa nicht an den heutigen Außengrenzen der EU, die sich abschottet. Und selbst, wenn es zur Erweiterung der EU, so wie sie geplant ist, kommen sollte, wird ein großer Teil der europäischen Völker ausgeschlossen und ausgegrenzt bleiben.

Die heutige Entwicklung der EU ist weit davon entfernt zur sozialen Integration Europas zu führen. Im Gegenteil, sie erhöht die Gefahr des Sozialdumping. Die kapitalistische Integration vertieft die bestehenden Entwicklungsunterschiede zwischen reichen und armen Regionen, verfestigt und vergrößert die Unterschiede zwischen Arm und Reich innerhalb der Gesellschaften aber auch zwischen dem EU-Europa und den Ländern der   Dritten Welt .

Die KPÖ hat vor der Volksabstimmung 1994 den Beitritt zu dieser EU abgelehnt. Sie hat mit ihren Einwänden und Warnungen Recht behalten. Die Arbeitslosigkeit ist nicht wie versprochen gesunken, sondern angewachsen; zur Durchsetzung des Euro hat die SPÖ-ÖVP-Regierung unsoziale "Sparpakete" geschnürt, die steuerliche Belastung der Bevölkerung ist nicht gesunken sondern gestiegen. Im Zeichen der EU wurde auch in Österreich der neoliberale Kapitalismus-Typ verstärkt. Wir lehnen diesen neoliberalen Charakter der EU-Integration ab.

In 13 von 15 EU-Mitgliedsstaaten üben sozialdemokratische Parteien wesentlichen Einfluß auf die Regierungen aus. Von ihnen muß heute gefordert werden, die versprochene Wende der EU zu sozial- und beschäftigungspolitischen Zielen nicht nur in Worten sondern in Taten vorzunehmen. Das erfordert breite soziale Bewegungen und politischen Druck von links. Denn es geht nicht um eine soziale  Verschönerung  des neoliberalen Kurses, wie sie Schröder und Blair unter dem Logo  Neue Mitte  betreiben, sondern um die Durchsetzung einer neuen sozialen und beschäftigungsorientierten Wirtschaftspolitik insgesamt.

Wir treten für ein friedliches, soziales, solidarisches, und entmilitarisiertes Europa ein. Die europäische Linke wendet sich gegen jeden Eurochauvinismus, Rassismus und Fremdenhaß. Gemeinsam mit linken Parteien in den anderen EU-Staaten, wie z.B. der KPF, der Vereinigten Spanischen Linken, der Rifondazione Comunista, der schwedischen Linkspartei, der PDS-Deutschlands oder der Portugiesischen KP u.a. beteiligen wir uns an der Erarbeitung linker Alternativen für eine gesamteuropäische Integration. Ihre Verwirklichung würde auf eine vollständige Neuorientierung des europäischen Projekts hinauslaufen.

Die ÖsterreicherInnen haben nicht zuletzt im Vertrauen auf viele, wie sich heute herausstellt, falschen Versprechungen bei der Volksabstimmung Ja zum EU-Beitritt gesagt. Im Vordergrund steht daher heute die Auseinandersetzung mit den schädlichen Folgen des Beitritts und deren Bekämpfung. Der Prozeß der EU-Integration bleibt krisenhaft und widersprüchlich. Negative soziale und militärpolitische Entwicklungen drohen sich trotz des Widerstands großer Teile der Bevölkerung, anstatt sich umzukehren, sogar noch zu verstärken. Daher hält die KPÖ an der Alternative des EU-Austritts fest.

Die KPÖ beteiligt sich bei den EU-Parlamentwahl als Teil der europäischen Linken. Viele der im folgenden vorgestellten Ideen und Vorschläge für eine Neuorientierung des europäischen Projekts entstanden in internationalen Diskussionen.

2. Für eine Wende in der Sozial- und Wirtschaftspolitik

Für die KPÖ ist das Recht auf existenzsichernde und sinnvolle Arbeit ein Menschenrecht.

Es ist unannehmbar, daß immer mehr Menschen gegen ihren Willen von der Erwerbsarbeit ausgegrenzt, junge Menschen ihrer Perspektive beraubt und Frauen, wenn überhaupt, oft nur als geringfügig Beschäftigte eingestellt werden.

Der "Nationale Aktionsplan für Beschäftigung" (NAP), den die Regierung beschlossen hat, ist völlig unzureichend, um die weiter steigende Erwerbsarbeitslosigkeit entscheidend zu reduzieren und die versprochene neue Vollbeschäftigung zu erreichen.

Wir akzeptieren nicht, daß die Regierung EU-Regelungen als Ausrede dafür gebraucht, daß notwendige beschäftigungspolitische Maßnahmen unterbleiben. Wir treten für eine Änderung der Prioritäten in Österreich und in der EU zugunsten von Beschäftigung und sozialer Grundsicherung ein.

Das würde bedeuten: Gemeinsam mit Frankreich und Italien soll bis zum Jahr 2000 die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich - als erster Schritt einer radikalen Arbeitszeitverkürzung, die der enorme Produktivitätsfortschritt der letzten Jahre ermöglicht und erfordert - generell eingeführt werden.

Statt des Amsterdamer Stabilitätspakts zur Umsetzung des Euro, der die Staaten zu einer ausschließlichen Orientierung der Politik an der Geldwertstabilität und den Maastrichter "Konvergenzkriterien" zwingt, fordern wir einen Pakt für eine neue Sozial- und Beschäftigungspolitik!

Dieser muß in den EU-Staaten bindende Ziele für die Senkung der Arbeitslosigkeit, für beschäftigungswirksame  Investitionen, Zielstellungen für die Überwindung der Unterschiede zwischen Männer- und Frauengehältern und gemeinsame Maßnahmen zur Bekämpfung der Spekulation enthalten. Dafür müssen sich die österreichische Regierung und die österreichischen Europa-Parlamentsabgeordneten einsetzen.

Wo geltendes EU-Recht die Möglichkeiten beschäftigungswirksamer Maßnahmen durch Bund, Länder und Gemeinden einschränkt, ist dem Konflikt mit den Brüsseler Behörden nicht aus dem Weg zu gehen.

Die KPÖ steht für den Ausbau des öffentlichen Sozial-, Gesundheits- und Bildungswesens mit langfristig gesicherten Normalarbeitsplätzen. Wir verstehen uns als Teil der Protestbewegungen gegen unsoziales Kaputtsparen, gegen Ausgliederung und Privatisierung öffentlicher Dienste, gegen den  Zukauf  ausgelagerter Arbeit. Diese budgetkosmetische Umschichtung von Personal- zum Sachaufwand, hat das weitere Anwachsen ungesicherte Projekt- oder Leiharbeit zur Folge. Die KPÖ fordert von EU-Rat und Bundesregierung eine Arbeitsplatzoffensive im öffenlichen Dienst statt staatlicher Förderungsprogramme für ungesicherte McJobs in der Privatwirtschaft.

Die Abschaffung der nationalen Kapitalverkehrskontrollen im Zuge des EU-Binnenmarkts erweist sich vom Standpunkt der großen Mehrheit der Bevölkerungen als falsch. Die Wiederherstellung einer Kontrolle über die Finanzmärkte und eine   EU-weite Besteuerung grenzüberschreitenden Kapitaltransfers muß auf die Tagesordnung gesetzt werden. Untergrenzen für die Kapitalbesteuerung (Kapitalsertragssteuern, Aktiengewinnbesteuerung, Körperschafts- und Vermögenssteuern) sollten EU-weit eingeführt werden. Die Allmacht der europäischen Zentralbank muß durch eine entsprechende politische Kontrolle gebrochen werden.

Österreich braucht den Einstieg in einen öffentlich finanzierten Beschäftigungssektor für nicht-marktgängige Berufsarbeit wie er in Frankreich und Mecklenburg-Vorpommern bereits in Ansätzen verwirklicht wird. Neue Arbeitsplätze insbesondere für Jugendliche könnten damit geschaffen werden.

Wir fordern eine regionale Beschäftigungs-Automatik: Überschreitet die regionale Arbeitslosenrate einen gewissen Schwellwert, müssen zusätzliche öffentliche arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitische Maßnahmen ausgelöst werden.

Die KPÖ tritt für einen sofortigen Privatisierungsstop und für einen neuformierten öffentlichen, demokratisch kontrollierten Wirtschaftssektor ein, der bestehende und neue staatliche, kommunale u.a. gemeinwirtschaftliche Unternehmen umfaßt.

3. Neubewertung und Neuaufteilung der Arbeit

Vier Fünftel des Wachstums der Arbeitslosigkeit gehen zulasten von Frauen. Frauen werden in ungeschützte Beschäftigungsverhältnisse gedrängt, die Altersarmut ist vorprogrammiert. Dem Ausbau und der dauerhaften Finanzierung von Kinderbetreungseinrichtungen muß Priorität eingeräumt werden, die auch zusätzliche Arbeitsplätze bringen würden.

Die  KPÖ fordert, daß alle Beschäftigungsverhältnisse sozialversicherungspflichtig werden. Für geringfügige Beschäftigung ist das sozialversicherungspflichtige Minimum für den Unternehmerbeitrag von einer Bemessungsgrundlage von 8.000 Schilling aus zu berechnen. 

Arbeit, das wissen Frauen am besten, gibt es genug. Nur ihre Bezahlung bleibt aus oder wird immer geringer. Längerfristig strebt die KPÖ eine Neubewertung und Neuverteilung aller gesellschaftlich notwendigen Arbeit an.

Die KPÖ fordert eine soziale Grundsicherung. Das heißt Anhebung der Transfer- und Sozialversicherungsleistungen bei Karenzgeld, Notstandshilfe, Arbeitslosengeld, Mindestpensionen und Mindestlöhnen auf existenzsicherndes, menschenwürdiges Niveau, sowie die Einführung einer bundeseinheitlich gestalteten Sozialhilfe. Finanziert kann diese soziale Grundsicherung durch den Übergang zur generellen wertschöpfungsbezogenen Einhebung aller Sozialversicherungsabgaben der Unternehmer werden.

Die KPÖ fordert den Grundsatz ein, daß alle in Österreich lebende Menschen unabhängig von der Staatsbürgerschaft zu gleichen Bedingungen und mit gleichen sozialen Rechten beschäftigt werden und in allen Bundesländern gleichen Zugang zu öffentlich geförderten Wohnraum haben.

Die Vertreter Österreichs in der EU müssen für eine neue solidarische Außenhandels- und Enwicklungspolitik mit den Ländern der 3.Welt eintreten. Das sogenannte MAI-Abkommen, das den Konzernen freie Hand in allen Länder garantiert hätte, darf keine Neuauflage, in welcher Form auch immer, erfahren.

4. Für eine demokratische Bildungsoffensive

Die KPÖ fordert eine demokratische, weltoffene und zukunftsorientierte Bildung und Ausbildung für alle in Österreich lebenden Kinder und Jugendlichen. Daher treten wir ein für den Ausbau des öffentlichen Schulwesens und die Erhöhung des Bildungsbudgets, für Gesamtschule statt sozialer Auslese in Hauptschulen und AHS, für Senkung der KlassenschülerInnenhöchstzahl auf 25, für lebendigen, Selbständigkeit und Solidarität fördernden Unterricht, für soziale Integration und schulische Förder-Angebote statt privater Nachhilfe. Kinder und Jugendliche brauchen Zeit für Entwicklung und Bildung statt einer einseitigen Zurichtung für Arbeitsmarkt und Kapitalverwertung.

Eine demokratische Bildungsoffensive, wie sie von immer mehr Eltern, SchülerInnen und LehrerInnen gefordert wird, bedeutet auch Arbeitsplätze für JunglehrerInnen, SozialarbeiterInnen, PsychologInnen und ebenso   entsprechend der allgemeinen Forderung nach Arbeitszeitverkürzung - eine Senkung der Lehrverpflichtung, denn LehrerInnenarbeit ist längst mehr als Unterricht nach Stundenplan.

Demokratische Bildungsoffensive bedeutet auch die Anhebung der Schulbudgets für Ausstattung, Unterrichtsmittel, Schulveranstaltungen und LehrerInnenfortbildung statt der Auslieferung öffentlicher Schulen an finanzstarke Elternlobbies und privatkapitalistische Sponsorfirmen und nicht zuletzt gelebte Schuldemokratie für SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen. Für die KPÖ sind Bildung und Ausbildung weder Privatsache noch elitäres Privileg, sondern öffentliches Anliegen. Das Recht auf Bildung und Ausbildung ist ein Menschenrecht.

Wir lehnen jegliche Privatisierungen (von den Unis, über Privatschulen bis zur sog.  Schulautonomie ) ebenso entschieden ab, wie die Entlastung der Betriebe von den Lehrausbildungskosten, oder der Errichtung von neuerlichen Zugangsbeschränkungen (von diversen Selbstbehalten in den Schulen, über eine schleichende Aushölung des freien Studienzugangs durch Zulassungsbeschränkungen od. Studiengebühren bis zur Einführung eines  numerus clausus ).

Eine Bildungspolitik die Bildung- und Ausbildung nur mehr als Kostenfaktor in der  Standortkonkurrenz  oder profitable Kapitalanlagesphäre begreift, bietet für die überwältigende Mehrheit der österreichischen Jugendlichen keine Perspektive. Wir treten demgegenüber für die Rücknahme aller seit 1995 beschlossenen Kürzungen im Bildungsbereich und mit dem NAP durchgesetzten Verschlechterungen in der Lehrausbildung ein. Darüber hinaus tritt die KPÖ für die vollständige und gleichberechtigte Integration der Berufsausbildung in das öffentliche Bildungssystem ein.

5. Für eine neue Transit- und Verkehrspolitik

Entgegen allen Versprechungen vor dem EU-Beitritt hat der Transitverkehr nicht ab- sondern zugenommen. Dies konnte auch durch den Transitvertrag vom 2.5.1992 nicht verhindert werden. So haben in den letzten Jahren allein die LKW-Fahrten über den Brenner um über 50 % zugenommen. Die ins Auge gefaßte Reduzierung der Schadstoffemmissionen wurde um 70 % verfehlt. Gleichzeitig sind in Ost-Österreich neue Transitrouten entstanden. In vorauseilendem Gehorsam - angesichts von Klagen und Klagsdrohungen seitens der EU-Kommission - sehen die Landes- und Bundespolitiker von einer wirksamen Bemautung des Transitverkehrs und der zwingenden Verlagerung auf die Schiene ab.

Die KPÖ fordert die weitestgehende Eindämmung von Leerfahrten und die verpflichtende Verlagerung von nichtverderblichen Waren (Alteisen, Holz...) und Gefahrguttransporten auf die Schiene. Dazu sind die erforderlichen finanziellen Mittel frei zu machen und ist darauf zu achten, daß die Kontrolle über die Transitwege (Straße, Wasser und Schiene) in österreichischer Hand bleibt.

Im Interesse der Gesundheit der FernfahrerInnen, sowie der AnrainerInnen fordert die KPÖ konsequente Kontrollen der Ladegüter und deren Kennzeichnung, der Tonnagelimits, der Ökopunkte sowie der Fahrtzeiten.

Die KPÖ unterstützt die berechtigten Forderungen und Maßnahmen der Bevölkerung zum Schutz von Mensch und Natur, insbesondere auch Blockaden der Hauptverkehrswege.

In Hinblick auf das Auslaufen des Transitvertrages im Jahr 2004 fordert die KPÖ den sofortigen Beginn von Verhandlungen über eine neue europäische Verkehrspolitik und einen neuen Transitvertrag, der die ursprünglichen Ziele und die aktuellen Forderungen sicherstellt.

6. Demokratie durchsetzen

Die maßgeblichen Kräfte in der EU und ihrer Mitgliedsstaaten wollen aus der EU eine neue wirtschaftliche, politische und militärische Großmacht machen. Die Verträge von Maastricht und Amsterdam beweisen, daß ihr Projekt ein Bundesstaat à la USA - mit Verfassung, Polizei, einheitlicher Währung, gemeinsamer Außen- und Militärpolitik etc. - ist. Bislang wird über diese Zielsetzung, die den Charakter der EU-Integration zunehmend bestimmt, keine offene demokratische Debatte geführt.

Um die mit der Durchsetzung des Binnemarkts und des Euro verbundenen sozialen Verschlechterungen durchzusetzen, werden demokratische Rechte der BürgerInnen eingeschränkt und entwertet.

Auch unter den Bedingungen der EU-Mitgliedschaft steht für uns die Stärkung und Ausweitung der demokratischen Rechte im Vordergrund. Wir widersetzen uns der weiteren Einschränkung demokratischer Rechte auf nationalstaatlicher Ebene und einer Abwertung der nationalen Parlamente.

Auf EU-Ebene sollten für alle Gremien verbindliche 50 %ige Frauenquoten festgelegt werden.

Die Rechte der Belegschaften transnationaler Konzerne und ihrer Vertretungen ("Euro-Betriebsräte") sind auf Mitbestimmung und Mitwirkung auszuweiten.

Soziale, politische und andere Minderheitenschutzrechte sind zu verwirklichen.

Das Demokratie-Defizit stellt sich innerhalb der EU doppelt. Einerseits dominieren unter den EU-Institutitionen die nichtgewählten und unter Ausschluß der Öffentlichkeit tagende Bürokratien und Gremien, die EU-Kommission, die aus Beamten besteht, und EU-Räte, die von den Regierungen beschickt werden - sie konzentrien die wichtigsten Machtbefugnisse. Das Europa-Parlament verfügt immer noch über nur schwache Mitbestimmungsrechte. 

Daraus ergibt sich, daß innerhalb des Machtgefüges der Europäischen Union die Kompetenzen des Europa-Parlaments aufgewertet werden müssen.

Das rührt aber an eine Hauptproblematik der Demokratie in der EU, nämlich das Verhältnis zwischen den "europäischen Institutionen" und den nationalen Parlamenten.

Wir stehen auf dem Standpunkt, daß die BürgerInnenrechte auf der nationalstaatlichen Ebene ausgebaut werden müssen. Unserer Meinung nach bleibt daher auch die Souveränität der nationalen Parlamente sowohl gegenüber den einzelnen Regierungen als auch gegenüber den EU-Gremien die Hauptfrage. 

Wir sind gegen die weitere Abgabe von Souverenitätsrechten der Staaten an die EU. Dort, wo eine EU Zuständigkeit besteht, soll sie vor allem über das Europaparlament ausgeübt werden.

Wir verschließen uns nicht einer Politik mit europäischen Dimensionen, wenn sie zur realen Ausweitung von BürgerInnenrechten führt.

Stärkung der BürgerInnenrechte heißt vor allem Ausbau der direkten Demokratie. Auch auf EU-Ebene können direktdemokratische Rechte eingeführt werden, wie   Volksabstimmungen in Fragen von überstaatlicher "europäischer" Bedeutung. Insbesondere sind vor Inkrafttreten neuer EU-Verträge bindend in allen Mitgliedsstaaten der EU Volksabstimmungen durchzuführen. 

Keinem Mitgliedsstaat dürfen durch die EU Entscheidungen aufgezwungen werden. Wo nationale Souverenitätsrechte berührt werden, ist die Möglichkeit, sich durch demokratischen Entscheid auszunehmen ("Opting Out"), vorzusehen.  Um die Möglichkeit eines Austritts aus der EU offen zu halten ist im primären EU-Recht  zu verankern, daß die BürgerInnen jedes EU-Mitgliedslandes jederzeit das Recht haben, über einen Austritt aus der Europäischen Union frei entscheiden zu können.

7. Menschenrechte sind unteilbar

Garantierte Menschenrechte sind Meilensteine eines demokratischen Europas. Die EU hat jedoch bis jetzt die Menschenrechtskonvention nicht in ihr Primärrecht übernommen.

Die fundamentalen demokratischen Rechte aller EinwohnerInnen in jedem Mitgliedsstaat müssen garantiert und respektiert werden. Die EU muß demokratische Mindeststandards auch für Nicht-EU-BürgerInnen festlegen, insbesondere Rechte zur Familienzusammenführung, Zugang zum Arbeits-und Wohnungsmarkt sowie Wahlrechte.

Wir fordern:

8. Gegen das Schengener Abkommen

Mit dem Schengener-Abkommen und Europol vollzog die EU einen weiteren Schritt in Richtung einer repressiven und menschenverachtendenen einheitlichen Sicherheits- und Grenzpolitik der  Festung Europa ;  legitimiert  durch die neukreierten Bedrohungsbilder der  Organisierten Kriminalität  (einschließlich des Drogenhandels, des Terrorismus und der illegalen Einwanderungen).

Weitgehend unbemerkt vom öffentlichen Bewußtsein wurde dabei die Europol mit polizeilichen Kompetenzen und Befungnissen ausgestattet, die im bisherigen nationalen Rahmen nur schwer, wenn überhaupt, durchzusetzen gewesen wären. Zudem untersteht sie weder der Kontrolle des Europäischen Parlaments noch des Europäischen Gerichsthofes. Nicht einmal deren Finanzen können überprüft werden. Gegenüber den nationalen Parlamenten und Gerichten genießt sie vollständige Immunität. Diese polizeiliche Selbstherrlichkeit, gestrickt nach dem Muster des FBI,  wird von uns entschieden zurückgewiesen, wie die damit verbundenen Einschränkungen der bürgerlichen Freiheiten.

Um die europäische Festung auch nachhaltig genug abzumauern, wurden milliardenschwere Aufrüstungen an den Grenzen vorgenommen, restriktive Visa- und Asylregeln erlassen, spezielle Gendarmerie-Einsatztruppen geschaffen und Soldaten in Form des sog.  Assistenzeinsatzes  an die Grenze beordert. Hunderschaften von speziell ausgebildeten Menschenjägern, ausgerüstet mit modernsten Kontrolltechnologien wie Infrarot- und Wärmebildkameras machen unterstützt von Hubschraubereinsätzen heute Tag für Tag Jagd auf flüchtende, arbeitssuchende und einreisewillige Menschen. Wir lehnen diese Verwandlung der österreichischen Grenzen in einen hochgerüsteten EU-Vorposten auf das Entschiedenste ab. Und wir lehnen auch die Regel ab, nach der Asylsuchende nach der Ablehnung ihres Asylansuchens in einem EU-Land kein weiteres Ansuchen in der EU stellen dürfen, sowie die sog.  Drittlandklausel  nach der letztlich der Innenminister bestimmt welches der Nachbarländer für Flüchtlinge gerade noch sicher genug ist.

Das Herzstück dieses Grenz- und Sicherheitsschutzes bildet das Schengener Informationssystem (SIS). Dieses vernetzt die Daten der nationalen Polizei- und Grenzeinheiten in Straßburg um diese allen Schengener Polizei- und Grenzeinheiten zur Fahndung, Festnahme oder Abschiebung verdächtiger, gesuchter, abzuschiebender oder sonstwie unliebsamer Personen, sowie zu deren  polizeilicher Beobachtung  zur Verfügung zu stellen. Dadurch werden auch die Spezialeinheiten wie EDU (European Drug Unit), TREVI (Terrorism, Radicalism, Extremism, Violence International) oder die Europol von jeglichen gesetztlichen Vorgaben und  Rahmenbedingungen entbunden.

So sind auch Geheimdienste (!) als ausschreibungsberechtigt benannt und haben damit Zugriff auf das Informationssystem. Ferner wird im SIS eine Liste von zur Einreiseverweigerung ausgeschriebenen Ausländern geführt. Desweiteren besteht die Möglichkeit, Kontrollmaßnahmen und Überprüfungen von Pesonen jederzeit und in unbegrenztem Maß durchzuführen und ein Einreiseverbote zu verhängen - obwohl der freie grenzüberschreitende Personenverkehr in der EU angeblich garantiert ist.

Tatsächlich führt das  Schengenabkommen zu einem europäischen Polizeistaat und zur Demontage der Demokratie.

Würde mit ähnlichem Aufwand im Rahmen der EU für soziale Sicherheit gesorgt, gäbe es kein Problem der Arbeitslosigkeit. Würde mit gleichem Eifer für kollektive Sicherheit in Europa gesorgt, gäbe es keine NATO, keine Rüstungsindustrie, wäre strukturelle Nichtangriffsfähigkeit bereits verwirklicht.

Wir fordern:

9. Für Neutralität und Friedenspolitik

Mit dem Amsterdamer EU-Vertrag, der vom österreichischen Parlament bereits ratifiziert wurde, ist die Militarisierung der EU, die schon im Ansatz im Maastrichter Vertrag enthalten war, wesentlich verstärkt worden. Beschlossen wurde die Ausarbeitung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik der EU-Mitgliedsstaaten: Die EU wird engere Beziehungen zur WEU, der Militärallianz der europäischen NATO-Mitgliedstaaten, herstellen. Die EU erhält die Möglichkeit, die WEU in Anspruch zu nehmen, um militärische Aktionen durchzuführen, die den Charakter von Kriegshandlungen haben.

Das alles ist mit der immerwährenden Neutralität Österreichs nicht vereinbar. Weitere Schritte der Militarisierung, die der EU in jeder Hinsicht den Charakter eines Militärbündnisses geben würden, sind im Amsterdamer Vertrag als später zu verwirklichende Maßnahmen genannt: Die Einrichtung einer gemeinsamen Verteidigung sowie die volle Integration des Militärbündnisses WEU in die EU, die in offiziellen Dokumenten als "europäischer Pfeiler der NATO" bezeichnet wird.

Wir lehnen die Militarisierung der EU ab, denn sie führt zu einer Einordnung aller EU-Mitgliedsstaaten in die NATO bzw. ihrer Unterordnung unter die NATO. Wir werden nicht aufhören, auf allen Ebenen gegen die Militarisierung und für die Zurücknahme schon beschlossener Schritte einzutreten.

Da es keine Bedrohung einzelner EU-Mitglieder oder der EU als ganzes gibt, kann die Militarisierung der EU nicht als Verteidigungsnotwendigkeit begründet werden. Vielmehr geht es um die Schaffung militärischer Instrumente für die Durchsetzung von Großmachtinteressen weit über den europäischen Rahmen hinaus, teilweise mit und teilweise in Konkurenz zur USA.

Wenn im Rahmen der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik Militäreinsätze beantragt werden, verlangen wir von der österreichischen Regierung, daß sie diese in den EU-Gremien ablehnt und sie -- mittels des Vetos (Einstimmingkeitsprinzip !) - verhindert. Wir verlangen, daß sich österreichische Europa-ParlamentarierInnen dafür einsetzen, daß Kriegseinsätze seitens der EU verurteilt werden.

Wir fordern die Revision des Amsterdamer Vertrags, insbesondere in seinen militärpolitischen Aspekten. Institutionen und Mechanismen der EU zur Durchführung einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik müssen auf Konfliktvermeidung, friedliche Konfliktlösung und Verwirklichung von Abrüstungsmaßnahmen orientiert werden.

Wir treten für die Schaffung von kernwaffenfreien Zonen in Europa und für die Absicherung eines neutralen oder nicht-paktgebundenen Status möglichst vieler europäischer Staaten ein. Die OSZE als einzige wirklich gesamteuropäische Sicherheitsstruktur ist zu stärken.

Die SPÖ hat zwar 1998 das Zustandekommen eines Optionenberichts der Bundesregierung verhindert, mit dem die ÖVP die Weichen für einen Beitritt Österreichs zur NATO unmittelbar stellen wollte. Eine konsequente Verteitigung der Neutralität und entschlossene Ablehung der EU-Militarisierung ist von der SPÖ nicht zu erwarten, die schon jetzt mit ihrer Zustimmung zum Amsterdamer Vertrag u.a. , die Aushöhlung der Neutralität ermöglicht hat. In ihrem neuen Parteiprogramm bekennt sich die SPÖ nur   bis auf weiteres  zur österreichischen Neutralität. ÖVP Vorsitzender Schüssel eklärte im Februar, daß in der Koalition bereits Übereinstimmung besteht, einer Integration des Militärbündnisses WEU in die EU zuzustimmen, sobald dies in den EU-Gremien auf die Tagesordnung kommt. Wenn sich die SPÖ-Führung im Wahlkampf als Garant der Neutraliät ausgibt, wird das einen Versuch darstellen, ihre Mitglieder und die WählerInnen zu täuschen.

10. EU-Erweiterung - So nicht!

Die KPÖ sagt grundsätzlich Ja zur europäischen Zusammenarbeit, die eine gesamteuropäische - unter Einschluß Rußlands und der anderen Staaten der GUS - sein muß. Schon daraus ergibt sich für uns ein Nein zur gegenwärtigen EU-Erweiterungstrategie.

Wenn sich die bisherige Erweiterungsstrategie ungehindert fortsetzt, wird sie alle ungelösten Probleme der EU, insbesondere die Arbeitslosigkeit, weiter zuspitzen und ihr noch weitere hinzufügen, wie das bereits in Teilen Österreichs zu bemerken ist. Schon jetzt wachsen die Pendlerströme aus den grenznahen Regionen, schon jetzt gibt es zahlreiche Verlagerungen von Betriebsstätten.

Das Problem ist daher nicht, wie rechte und nationalistische Demagogen behaupten, eine drohende "Ausländerinvasion" aus Osteuropa, sondern die Zerstörung der Sozialstruktur der osteuropäischen Staaten und die profitorienierte Auslagerung von Kapital und Produktionen in Billiglohngebiete. Unter diesen Voraussetzungen wird die "Erweiterungsstrategie" der Konzerne zu einem Hebel, der gegen die Gehalts- und Sozialstandards in Westeuropa angesetzt wird. Eine weiter wachsende Fremdenfeindlichkeit, die von den objektiven Ursachen des wachsenden sozialen Drucks ablenkt, wird von den Herrschenden ebenso einkalkuliert wie die zunehmende Militarisierung der EU.

Die EU-Osterweiterung ist keineswegs eine Alternative zur NATO-Osterweiterung, sondern deren ökonomische Ergänzung.

Entgegen der Erweiterungsstrategie der EU setzen wir uns für folgende Entwicklungen ein:

Beschlossen auf der Parteikonferenz am 20. März 1999