ARCHIV FÜR SOZIALGESCHICHTE
DEKORATION

Archiv für Sozialgeschichte
Band XLVII/ 2007 - Zusammenfassungen


Robert Salais

Europa und die Dekonstruktion der Kategorie der ,,Arbeitslosigkeit"

Der Beitrag befasst sich mit einer der Wissens- und Handlungskategorien, die dem Sozialstaat zugrunde liegen, der Kategorie ,,Arbeitslosigkeit". Er setzt sich mit den Lehren aus der Geschichte dieser Kategorie und mit ihrer Entwicklung im Gefolge der von den europäischen Behörden geförderten Reformen auseinander. ,,Arbeitslosigkeit" spielte eine zentrale Rolle in dem Sozialmodell der Vollbeschäftigung. Dies ist in dem neuen politischen und gesetzlichen Rahmen nicht mehr der Fall, da es nun darum geht, die Beschäftigungsquote auf ein Maximum zu bringen. Die europäische ,,governance" der Reformen beruht auf den Grundsätzen des New Public Management (Leitlinien, Indikatoren zur Messung der Leistungen, peer review).

In erster Linie wird betont, wie wichtig es ist, die Forschung über die sozialen Wissenstechnologien zu fördern sowie über ihre Rolle in der Organisation und der Straffung der öffentlichen Debatte und über den innovativen Charakter ihrer heutigen rationellen Anwendung zu politischen Zwecken zu forschen. Es werden die Begriffe ,,allgemeines Wissen" und ,,Wissenshegemonie" eingeführt, um zu zeigen, wie die europäische Behörden in jedem Mitgliedsstaat eine Änderung der Normen einführen wollen, die wiederum bisher bestimmten, was unter ,,Arbeit" und was unter ,,Arbeitslosigkeit" zu verstehen sei.

Der historische Rückblick belegt, dass die Kategorie ,,Arbeitslosigkeit" auf eine für jedes Land spezifische Weise in den jeweiligen Institutionen, in den Erwartungen der Bürger, aber auch in den Grundzügen der jeweiligen Arbeitsmärkte und Erzeugungssysteme dauerhaft verankert ist. Daher wird die Frage nach der Natur des nun eingeleiteten politischen Prozesses gestellt, der hier als ein Prozess des Rückbaus definiert wird. Tatsächlich beschränkt er sich darauf, die mit dem Verlust der Arbeit verbundenen Unsicherheiten in die individuelle Privatsphäre zurückzuverlegen. Dabei wird das Bedürfnis nach einem kollektiven Wissen über die entsprechenden sozialen Phänomene und nach einer staatlichen Politik gegenüber diesen Phänomenen entwertet.


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