ARCHIV FÜR SOZIALGESCHICHTE
DEKORATION

Archiv für Sozialgeschichte
Band XLVII/ 2007 - Zusammenfassungen


Michael Geyer

Die Gegenwart der Vergangenheit
Die Sozialstaatsdebatten der 1970er-Jahre und die umstrittenen Entwürfe der Moderne

Vor dem Hintergrund der Debatten über die vielfältigen ,,Krisen" moderner Gesellschaften, darunter nicht zuletzt auch solche des Sozial- und Wohlfahrtsstaates, häuften sich seit den 1970er-Jahren programmatische Formulierungen, in denen Autoren in deskriptiver, aber nicht selten auch in präskriptiver Absicht historische Zäsuren und das Ende oder zumindest die tiefgreifende Veränderung der industriegesellschaftlichen Moderne postulierten. Der Aufsatz geht der Frage nach, wie und warum sich im Zusammenhang von Begründungen und der Kritik des Sozialstaates Diskurse über Modernisierung und die Moderne zu etablieren vermochten, die seither mit wachsender Intensität die wissenschaftlichen Debatten bestimmt haben.

In einem ersten Schritt wird der sozialstaatliche Ausbau seit dem Ende der 1960er-Jahre in Beziehung gesetzt zu den sich in dieser Zeit etablierenden Modernisierungstheorien. Im Mittelpunkt steht die auch theoretische Ausformung einer bundesdeutschen sozialpolitischen Moderne. Neben den Unsicherheiten der Industriegesellschaft und den Folgen der sozialen und politischen Katastrophen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts spielte bei den Begründungen dieser sozialpolitischen Moderne die Weltwirtschaftskrise eine zentrale Rolle. Die Bewältigung dieser unterschiedlichen Krisen mittels des Sozialstaates wurde zum politischen Reformprogramm, das auf soziale Umverteilung wirtschaftlichen Wachstums setzte. In einem zweiten Schritt wird die doppelte Stoßrichtung der politisch unterschiedlich motivierten Krisendebatten seit den 1970er-Jahren dargestellt. Sie äußerten sich zum einen pragmatisch als Kritik des vorangegangenen Ausbaus sozialer Leistungen mit ihren negativen wirtschaftlichen wie gesellschaftlichen Nebenfolgen und zum anderen grundsätzlich in Form einer Kritik der theoretischen Begründungen und Postulate der sozialpolitischen Moderne.

Wie argumentiert wird, etablierte sich die abstrakte und meist kritische Rede über ,,die Moderne" genau zu dem Zeitpunkt, als Kritiker die gängigen Modernisierungs- und die darauf fußenden Politikmodelle auf breiter Front in Frage stellten, indem sie einen neuen ,,post"-Zustand in Gestalt einer ,,zweiten Moderne" oder das Ende eines ,,sozialdemokratischen Grundkonsens'" sowie die ,,Krise der Arbeitgesellschaft" diagnostizierten und postulierten.


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