ARCHIV FÜR SOZIALGESCHICHTE
DEKORATION

Archiv für Sozialgeschichte
Band XLVI/ 2006 - Zusammenfassungen


Sabine Mecking

Zwischen Planungseuphorie und Identitätskrise. Die kommunale Neugliederung in Nordrhein-Westfalen am Beispiel von Stadt und Landkreis Bielefeld

Die kommunale Neugliederung der späten 1960er und frühen 1970er Jahre hat wie kaum eine andere Reform in der Geschichte der Bundesrepublik die innenpolitische Diskussion beschäftigt. Wurden in allen Flächenländern der Bundesrepublik Gebiets- und Funktionalreformen durchgeführt, so veränderte sich die kommunale Landkarte Nordrhein-Westfalens besonders nachhaltig. Die Reformdiskussion war durch den zeitgenössischen Glauben an eine höhere Verwaltungseffizienz und bessere Daseinsvorsorge durch die Schaffung von größeren Verwaltungs- und Planungseinheiten geprägt. Bestand über die Notwendigkeit einer kommunalen Gebietsreform in Wissenschaft, Politik, Verwaltung und Gesellschaft weitgehend Einigkeit, so lassen sich vor Ort fast überall Widerstände gegen einzelne Neuordnungsmaßnahmen feststellen. In der Auseinandersetzung wurden den funktionalen, auf Verbesserung der Effektivität der Verwaltung gerichteten Maßstäben historisch gewachsene, traditionell oder wirtschaftlich begründete Gegebenheiten und lokale Besonderheiten entgegengehalten. Als frühem Reformbeispiel kam dabei der Neuordnung der Stadt und des Landkreises Bielefeld gewissermaßen Modellcharakter für die sukzessiv durchgeführte Neugliederung des Landes zu. Zahlreiche Kommunen des Landkreises hatten bereits im Vorfeld der Neuordnung Gebietsänderungsverträge mit der Stadt Bielefeld abgeschlossen. Zwar wehrte sich der Landkreis gegen seine Auflösung und taten sich einige Umlandgemeinden mit dem Verlust der Selbständigkeit schwer. Die Debatten und Auseinandersetzungen zur Neuordnung verliefen aber überwiegend innerhalb der verfassten kommunalen Gremien. Ein in weiten Kreisen der Bevölkerung vorzufindendes und auf verschiedenen Säulen der lokalen Gesellschaft fußendes bürgerliches Engagement gegen die Gebietsreform wie bei der späteren Neuordnung im Ruhrgebiet ließ sich in Bielefeld nicht konstatieren. Ein aktives Einbeziehen der Bevölkerung durch Bürgerbefragungen wurde zum Teil sogar mit Verweis auf die vollzogene Entscheidungsfindung im Rat ausdrücklich abgelehnt. Die Ausgestaltung der konkreten Neuordnungsmodalitäten vor Ort basierte letztlich sehr viel mehr auf vertraglicher Verhandlung als auf einschüchternder Expansionspolitik.


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