ARCHIV FÜR SOZIALGESCHICHTE
DEKORATION

Archiv für Sozialgeschichte
Band XLV/ 2005 - Zusammenfassungen


Sonja Häder

Selbstbehauptung wider Partei und Staat. Westlicher Einfluss und östliche Eigenständigkeit in den Jugendkulturen jenseits des Eisernen Vorhangs.

In Bezug auf die DDR und andere Ostblockstaaten ist häufig die Rede von "geschlossenen Gesellschaften". In der Tat handelte es sich hier um diktatorisch verfasste Gesellschaftssysteme, dennoch blieben die kommunistischen Diktaturen in ihrem Wirken begrenzt. Das hatte systeminterne Gründe, ist aber zugleich dem Einfluss der westlichen Gesellschaften zuzuschreiben, die für die Menschen im Osten trotz parteistaatlicher Gegensteuerung die Referenzgesellschaften blieben. Selbst Eiserner Vorhang und Kalter Krieg konnten den fortdauernden Kulturtransfer nicht verhindern. Als besonders wirkmächtig erwies sich dieser im Bereich der Jugendkulturen. So hat die Jugend des Ostblocks über die gesamte Dauer kommunistischer Herrschaft an der Entwicklung westlicher Jugendd(sub-)kulturen intensiv Anteil genommen. Mit der Rezeption westlicher Kultur und dem gleichzeitigen Beharren auf kulturelle Selbstbestimmung unterliefen die jungen Menschen unweigerlich das Erziehungs- und Kulturmonopol der realsozialistischen Staaten, worauf diese oftmals nur mit Verboten und Verfolgung zu antworten wussten. Repressive Herrschaftsstrategien führten jedoch nicht zur Eindämmung jugendkultureller Szenen, sondern zu deren Politisierung und zur Verfestigung von Gegenkulturen. Am Beispiel ostdeutscher Punks wird gezeigt, wie ein ursprünglich westlich inspirierter jugendkultureller Stil im Zuge einer Transformation mit Bedeutungen versehen wurde, die auf die Lebensumstände und Erfahrungen in der SED-Diktatur verweisen. Den Jugendlichen dienten sie dazu, sich gegenüber Vereinnahmungsansprüchen und anderen Zumutungen der Machthaber abzugrenzen und mit Eigen-Sinn auf ihrer Autonomie und auf eigenen Lebensentwürfen zu beharren.


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