ARCHIV FÜR SOZIALGESCHICHTE
DEKORATION

Archiv für Sozialgeschichte
Band XLV/ 2005 - Zusammenfassungen


Anke Stephan

Zwischen Ost und West. Die unabhängige Frauenbewegung in Leningrad 1979-1982.

Im Herbst 1979 formierte sich im Leningrader Dissidentenmilieu eine sogenannte unabhängige Frauenbewegung. Ihre Anhängerinnen nannten sich "Feministinnen", sie gaben im Samizdat (Selbstverlag) ein neues Organ heraus: Die Frau und Russland. Dieses thematisierte erstmals die Folgen der Frauenemanzipation nach sowjetischem Muster. Die Dissidentinnen kritisierten Alltagsprobleme und Frauenfeindlichkeit in der Gesellschaft, aber auch im eigenen Milieu. Gegenstand des Beitrags ist die Genese und Entwicklung der Fraueninitiative innerhalb des Leningrader Dissens-Milieu, das bis dahin eher kulturell ausgerichtet oder auf Bürger- und Menschenrechte konzentriert war. Ein entscheidender Faktor für die Entstehung und Entwicklung der unabhängigen Frauenbewegung war der Einfluss des Feminismus aus Westeuropa und den USA. Leningrader Dissidentinnen kamen mit westlichem feministischen Schrifttum in Berührung, ihre inoffizielle Bewegung wurde von Frauen- und Menschenrechtsorganisationen aus Westeuropa logistisch unterstützt. Westliche Ideen wurden von den Leningraderinnen jedoch nicht einfach übernommen. Schon bald entwickelte die unabhängige Frauenbewegung eine eigene Dynamik. Die Gruppe spaltete sich in zwei Lager: Das eine orientierte sich explizit an westlichen Vorbildern, das andere suchte in einer Verbindung von Feminismus und russisch-orthodoxem Glauben einen eigenen "russischen" Weg zur Befreiung der Frau. Diese Transformation westlicher Ideen wird im Zusammenhang mit dem historischen Kontext der unabhängigen Frauenbewegung betrachtet. Dabei zeigen sich auch Kontinuitätslinien zu Diskussionen der Perestrojka- und Transformationszeit.


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