Arkadiusz Stempin
Das Maximilian-Kolbe-Werk. Brückenbauer zwischen den deutsch-polnischen Fronten in den Jahren der Entspannungspolitik
Der kühnen Tätigkeit von Pax Christi und des aus ihr hervorgegangenen MKW (1960-1989), ausgerichtet auf Aussöhnung und Partnerschaft mit ehemaligen polnischen KZ-Häftlingen über den ‚Eisernen Vorhang' hinweg, fiel zunächst in der Revision des Verhältnisses zum polnischen Nachbarn in Deutschland die Pionierrolle zu. Überdies sensibilisierte und erhöhte die Präsenz des MKW und seines Vorläufers über die drei Jahrzehnte hindurch am Rhein das allgemeine Problembewusstsein für das Nachbarland, nicht nur im katholischen Raum. Sie bereicherte durch die bis dahin tabuisierte Thematisierung der deutschen Verbrechen während der Kriegsjahre in Polen und mit der Entschädigungsfrage für polnische Bürger die Diskussion und eröffnete die Möglichkeit, das Verhältnis zu Polen aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Wenn es nicht das explizit anvisierte Ziel von Pax Christi und des MKW war, trug deren Aktivität doch dazu bei, dass Sympathie für die polnische Westgrenze und die Bereitschaft, diese endgültig anzuerkennen, stetig wuchsen - auch nach der Ratifizierung des Warschauer Vertrags 1972. Mit ihrer sichtbaren Option für Polen muss das Wirken von Pax Christi und des MKW als einer der Faktoren angesehen werden, die im Bereich der Polenpolitik an der Schwelle der Siebzigerjahre langfristig für den Stimmungswandel in der westdeutschen Gesellschaft verantwortlich war.
Der deutsche Brückenschlag nach Polen ließ die Zahl derjenigen an der Weichsel wachsen, die gegenüber der Bundesrepublik sowie ihren Bürger eine neue Position bezogen hatten. Deren Erfahrungen mit Pax Christi und dem Kolbe-Werk standen in krassem Widerspruch zur offiziellen kommunistischen Nachkriegspropaganda, zersetzten sie und entlarvten diese zusehends als pure Indoktrination. Wiederum die Übergabe der Lebensmitteltransporte, die das Kolbe-Werk seit der Verhängung des Kriegrechts in Polen (13. Dezember 1981) in der Zeit des wirtschaftlichen Kollaps des Landes unter Jaruselskis Regierung in eigener Regie in größere polnische Städte verfrachtete, in die Hände von eingetragenen KZ-Vereinen oder von zusammengewürfelten Gruppen ehemaliger Häftlinge, förderte unter den Letzten die Bildung von weiteren KZ-Klubs. So ebnete die "Lebensmittelaktion" ganz unerwartet der intensiven und persönlichen Begegnung zwischen Deutschen und KZ-Überlebenden die Bahn.