ARCHIV FÜR SOZIALGESCHICHTE
DEKORATION

Archiv für Sozialgeschichte
Band XLV/ 2005 - Zusammenfassungen


Robert Zurek

Die Rolle der Katholischen Kirche Polens bei der deutsch-polnischen Aussöhnung 1966-1972

Die Beziehungen zwischen der deutschen und polnischen Kirche waren im Zeitraum 1966-1972 angespannt. Abgesehen von einer beeindruckenden Geste des polnischen Primas und des Kirchenvolkes am 3. Mai 1966 in Tschenstochau fanden keine prägnanten Versöhnungsinitiativen der polnischen Kirchenführung statt, vielmehr bemühte sie sich, die revolutionären Aussagen ihres Briefs von 1965 zu relativieren. Die Ursachen waren vielfältig, als wichtigste sind zwei zu nennen: Der äußerst geringe Spielraum der Kirche angesichts der kommunistischen Repressalien nach dem Briefwechsel von 1965 und die tiefe Enttäuschung der polnischen über die Haltung der deutschen Kirche.

Differenzierter gestaltete sich der Umgang des ZNAK-Milieus mit der deutsch-polnischen Thematik. Die ZNAK-Medien verbreiteten zunächst eine von antideutschen Ängsten und Komplexen beherrschte Sicht der deutsch-polnischen Beziehungsgeschichte, die sich auf den Versöhnungsprozess kontraproduktiv auswirken musste. Die ZNAK-Vertreter beurteilten die westdeutsche Polenpolitik und die Haltung des deutschen Katholizismus gegenüber Polen sehr kritisch. Die Hoffnungen und Verständigungsversuche der ZNAK-Mitglieder galten vor allem der Minderheit unter den deutschen Katholiken, die die polnische Sicht hinsichtlich der deutsch-polnischen Streitfragen teilte. Eben die Initiativen dieser Minderheit, vor allem das Bensberger Memorandum, aber auch der politische Wandel in der Bundesrepublik, bewirkten bei den ZNAK-Vertretern das in den Beiträgen der ZNAK-Medien erkennbare positivere Deutschenbild. Mit der Zeit baute ZNAK seine Kontakte mit deutschen Partnern aus und veröffentlichte in seinen Medien immer häufiger Beiträge deutscher Autoren. Insgesamt ist festzustellen, dass in den deutsch-polnischen Kirchenbeziehungen der Jahre 1966-1972 kein Durchbruch erfolgte, obwohl dieser nach dem mutigen Brief der polnischen Bischöfe von 1965 vielleicht zu erwarten gewesen wäre. Vielmehr blieb die Chance, die der Brief bot, zunächst nicht genutzt. Geopolitische Probleme und diametrale Differenzen im Umgang der polnischen und deutschen Kirche mit der Oder-Neiße-Frage stellten das Haupthindernis für die weitere Annäherung der Kirchen dar. Der von den Kirchen mit dem Briefwechsel von 1965 initiierte Versöhnungsprozess kam eigentlich erst nach der Ratifizierung des Warschauer Vertrags 1972 voran.


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