ARCHIV FÜR SOZIALGESCHICHTE
DEKORATION

Archiv für Sozialgeschichte
Band XLV/ 2005 - Zusammenfassungen


Peter Haslinger

Eine Option in Richtung Europa? Österreich im außenpolitischen Kalkül der ungarischen Kommunisten 1956-1989

Die außergewöhnliche Dynamik der Beziehungen zwischen Ungarn und Österreich zwischen 1956 und 1989, die zur Aufweichung des Eisernen Vorhangs in Europa wesentlich mit beitrug, basierte auf zwei Faktoren: Zum einen war sie auf den Wunsch der ungarischen politischen Führung zurückzuführen, wirtschaftlich und technologisch von der einsetzenden transnationalen Integration Westeuropas zu profitieren. Zum anderen beruhte sie auf der blockpolitischen Neutralität Österreichs und dem Scheitern des Reformkurses 1968 in der Tschechoslowakei, dem bislang favorisierten Kooperationspartner der neuen österreichischen Ostpolitik. Der ungarische Reformkommunismus konzipierte dabei die Kooperation mit Österreich zunächst noch als Anlaufphase für einen intensiven Wirtschaftsaustausch mit anderen westeuropäischen Staaten. Der Symbolwert, der guten blocküberschreitenden Beziehungen in einem internationalen Umfeld zukam, wurde dann jedoch vor allem in den frühen Siebziger- und den späten Achtzigerjahren politisch verwertet und fand durchweg eine Entsprechung im Bereich der grenzüberschreitenden Alltagbeziehungen (wie z.B. bei Regionalkontakten, Städtepartnerschaften oder einer deutlich intensivierten Reisetätigkeit). Nach 1987 avancierte Österreich auf Grund seiner Neutralität - wie schon im Jahr 1956 - für kurze Zeit erneut zu einem außenpolitischen Leitbild. Nach dem historischen Herbst 1989 verloren jedoch die bisherigen ungarisch-österreichischen Sonderbeziehungen rasch an Bedeutung - auf beiden Seiten verlagerte sich die Präferenz auf die möglichst baldige Integration des Landes in die Europäische Union.


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