ARCHIV FÜR SOZIALGESCHICHTE
DEKORATION

Archiv für Sozialgeschichte
Band XLIV/ 2004 - Zusammenfassungen


Ruth Rosenberger,

Demokratisierung durch Verwissenschaftlichung? Betriebliche Humanexperten als Akteure des Wandels der betrieblichen Sozialordnung in westdeutschen Unternehmen

Zu Beginn der 1970er-Jahre wurden im Rahmen der Reorganisation westdeutscher Unternehmen ausdifferenzierte Personalabteilungen eingerichtet. Damit erhielten humanwissenschaftliche Experten - Betriebspsychologen und Personalexperten - einen eigenständigen Platz im betrieblichen Sozialraum. Wie sich daraus resultierende Veränderungen in Unternehmen vollzogen, was sie konkret bewirkten und wer vor allem die maßgeblichen Akteure waren, sind die zentralen Fragen dieses Beitrags. Anknüpfungspunkt ist dabei die gängige These von der "Demokratisierung der Arbeitsbeziehungen" in der Bundesrepublik. Diese gilt es anhand der Analyse humanwissenschaftlicher Verfahren zu überprüfen, mit denen betriebliche Sozialbeziehungen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern gestaltet werden sollten. Insbesondere interessieren dabei ihre ordnungspolitischen Implikationen und deren Wirkung im und auf den betrieblichen Sozialraum. Zusammenfassend lässt sich so aufzeigen, dass die Einbindung humanwissenschaftlicher Experten in westdeutsche Unternehmen zwar eine Reaktion auf gesellschaftliche Forderungen nach mehr Partizipation, Transparenz usw. darstellte. Dennoch handelte es sich in erster Linie nicht um einen Demokratisierungs-, sondern um einen Verwissenschaftlichungsprozess. Dieser hätte zwar potenziell zu einer Demokratisierung der betrieblichen Sozialordnung beitragen können, doch wurde dies nicht zuletzt von unternehmernahen Humanexperten, die sich weiterhin an ganzheitlichen Kategorien wie "Führungspersönlichkeit" und "Gemeinschaft" orientierten, verhindert. Die weitreichendste Veränderung, zu der betriebliche Humanexperten maßgeblich beitrugen, war die Durchsetzung des "kooperativen Führungsstils". Dieses neue Leitbild betrieblicher Sozialbeziehungen setzte neue Maßstäbe für Führungskräfte im Umgang mit Mitarbeitern; gleichzeitig setzte es aber auch die traditionelle Vorstellung einer hierarchisch organisierten Pyramide fort. Mittels verwissenschaftlichter Personalmaßnahmen fand somit keine Demokratisierung der betrieblichen Sozialordnung statt. Sie schufen allenfalls die Voraussetzung einer Liberalisierung der Umgangsformen in Unternehmen.


DEKORATION

©Friedrich Ebert Stiftung | Webmaster | technical support | net edition ARCHIV FÜR SOZIALGESCHICHTE | September 2004