ARCHIV FÜR SOZIALGESCHICHTE
DEKORATION

Archiv für Sozialgeschichte
Band XLIV/ 2004 - Zusammenfassungen


Klaus Weinhauer,

Terrorismus in der Bundesrepublik der 1970er-Jahre. Aspekte einer Sozial- und Kulturgeschichte der Inneren Sicherheit

Der Beitrag skizziert erste Schritte auf dem Weg zu einer gesellschaftsgeschichtlich ausgerichteten Terrorismusforschung, die eingebettet wird in eine Sozial- und Kulturgeschichte der Inneren Sicherheit. In einem Überblick über die bislang vorliegenden Erkenntnisse werden wichtige Defizite der gesellschafts- sowie der personenbezogenen sozial- und politikwissenschaftlichen Terrorismusforschung benannt und einige lohnenswerte Felder für zukünftige Studien skizziert. Dabei wird herausgestrichen, wie unverzichtbar die Abkehr von der bislang dominierenden strengen Bipolarität ist, die Staat und Terrorismus der 1970er-Jahre starr gegenüberstellt. Der Beitrag verdeutlicht, dass "Staat" rekonzeptionalisiert, vor allem historisiert werden muss, wobei staatliche Herrschaft dezentral und als Arena sozialer Konflikte begriffen wird. Grundsätzlich werden mit Blick auf die 1970er-Jahre Möglichkeiten sozialer Gegenmacht erkundet und somit die Menschen als aktive Gestalter, als individuell und kollektiv Handelnde, genauer in den Blick genommen. Es wird betont, dass sich staatliche Herrschaft in den 1970er-Jahren grundlegend verändert hat, weniger statisch und abstrakt, stattdessen alltagsbezogener war. Es entstand eine politisierte Gesellschaft ohne eindeutige Machtzentren - weder in der Gesellschaft noch in Staat und Politik. Der Autor wendet sich entschieden dagegen, die späten 1970er-Jahre als Zeitspanne zu betrachten, in der ein übermächtiger Staat bleiern auf einer ohnmächtigen Gesellschaft lastete. Vielmehr zeigt er, wie der Terrorismus und seine Bekämpfung seit Ende der Dekade staats- und gesellschaftskritische Haltungen sowie Skepsis gegenüber computergestützten Datensammlungen gefördert haben. Diese demokratisierenden Impulse entwickelten sich vor dem Hintergrund eines Booms gesellschaftlicher Selbstorganisation in Form der Neuen Sozialen Bewegungen.


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