ARCHIV FÜR SOZIALGESCHICHTE
DEKORATION

Archiv für Sozialgeschichte
Band XLIV/ 2004 - Zusammenfassungen


Dietmar Süß,

Die Enkel auf den Barrikaden. Jungsozialisten in der SPD in den Siebzigerjahren

Heidemarie Wieczorek-Zeul, Klaus-Uwe Benneter, Gerhard Schröder: Sie alle standen in den 1970er-Jahren an der Spitze der Jungsozialisten, der Jugendorganisation der SPD, und verkörperten den generationellen und programmatischen Wandel, der die Sozialdemokratie und ihre Jugendorganisation in der Ära Brandt/Schmidt radikal veränderte. Zwei Phasen lassen sich dabei unterscheiden: eine erste, die etwa von 1969, der "Linkswende" der Jusos, bis 1973/74 reichte, und die vor allem durch einen wachsenden politischen innerparteilichen Einfluss des SPD-Nachwuchses, ein erhebliches Mobilisierungspotenzial sowie öffentliche Aufmerksamkeit gekennzeichnet war; und eine zweite Phase von der Mitte bis zum Ende der 1970er-, Anfang der 1980er-Jahre, als sich der SPD-Nachwuchs in internen Flügelkämpfen aufrieb, seine gesellschaftliche Ausstrahlungskraft sank und die Jusos zunehmend den Anschluss an die neuen sozialen Bewegungen verloren. Der Beitrag untersucht Aufstieg und Bedeutungsverlust der Jusos, ihr Verhältnis zur Mutterpartei und den sich seit Ende der 1960er-Jahre verändernden Deutungshorizont des SPD-Nachwuchses bis zum Ende der sozialliberalen Ära. Deutlich werden dabei jene neuen Erfahrungen und Ideen der politischen Partizipation, Kommunikation und kommunalpolitischen Arbeit, die viele der jungen SPD-Mitglieder zu Beginn der 1970er-Jahren machten und dazu beitragen sollten, der SPD ein anderes, basisdemokratisches, radikal-sozialistisches Gesicht zu geben. Gleichzeitig war diese Erweiterung der demokratischen Kultur begleitet von einer oftmals selbstgefälligen und illiberalen Politik- und Kommunikationskultur, der trotz gegenteiliger Beteuerungen nichts mehr fremd war als "herrschaftsfreies" Reden und Toleranz gegenüber dem politischen Gegner. Diese "Janusköpfigkeit" gehört genauso wie der Wandel von der gesellschaftlichen Reformeuphorie zur allgegenwärtigen Krisen- und Bedrohungsperzeption mit zu den wesentlichen Signaturen der 1970er-Jahre - vor allem für die Geschichte der politischen Linken.


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