Klaus Gestwa
Ökologischer Notstand und sozialer Protest. Der umwelthistorische Blick auf die Reformunfähigkeit und den Zerfall der Sowjetunion
Der Beitrag geht im ersten Teil der Frage nach, warum es der Sowjetunion trotz laut verkündeter umweltpolitischer Offensiven nicht gelang, den heraufziehenden ökologischen Notstand zu verhindern. Der zweite Teil handelt davon, dass die fortschreitende Umweltzerstörung auch in der Sowjetunion nicht kritiklos hingenommen wurde. Anfänglich gab es heftigen Widerspruch gegen einzelne höchst riskante Großprojekte, die zu einer allmählichen ökologischen Sensibilisierung bestimmter gesellschaftlicher Gruppen führte. Das Spektrum des politischen Erlaubten wurde durch die Ökologiediskussion deutlich erweitert. Später waren sogar Ansichten zugelassen, die das marxistisch-leninistische Fortschrittsaxiom anzweifelten. Zur Entstehung von sowjetischen Umweltbewegungen kam es aber erst nach 1986. Als damals Ressourcenverschleiß und Umweltzerstörung nicht mehr zu verbergen waren, trugen "grüne Revolutionen" mit ihrer explosiven Mischung aus Nationalismus und politischem Unmut maßgeblich zum rasanten Legitimationsverlust des Sowjetimperiums bei. Der Beitrag endet mit einem kurzen Ausblick auf die Neunzigerjahre, in denen schon bald vom ökologischen Aufbruch der späten Sowjetzeit nicht mehr viel zu spüren war.