ARCHIV FÜR SOZIALGESCHICHTE
DEKORATION

Archiv für Sozialgeschichte
Band XXXXI / 2001 - Zusammenfassungen


Josef Schmid

Intendant Klaus von Bismarck und die Kampagne gegen den „Rotfunk„ WDR


Der Beitrag schildert das Verhalten des WDR-Intendanten Klaus von Bismarck (1961-1976) im Blick auf die Herausforderung durch die „Rotfunk„-Kampagne, die von Repräsentanten der CDU und ihr nahestehenden Presseorganen Anfang der 1970er Jahre wieder aufgegriffen wurde, um den von ihnen erhobenen Vorwurf zunehmender „Linkslastigkeit„ im Programm der Rundfunkanstalt zu untermauern. Anlass der Kampagne waren die Aktivitäten der Baader-Meinhof-Gruppe, in welche einzelne WDR-Mitarbeiter verwickelt wurden. Bei der Erörterung der Ausgangsbedingungen verweist der Autor auf zahlreiche Konflikte aus dem vorhergehenden Jahrzehnt, die in der späteren Auseinandersetzung um den „Rotfunk„ einen Höhepunkt fanden.

Intendant von Bismarck markierte dabei einen Weg, der durch eine grundsätzlich überparteiliche Orientierung und durch ein zuweilen eigenwilliges Agieren abwechselnd Widerspruch in allen politischen „Lagern„ – durch die Unterstützung der sozialdemokratischen Ostpolitik vor allem jedoch bei der CDU – hervorrief. In der Zeit der Expansion im öffentlich-rechtlichen Rundfunk konnte der ohnehin als Kompromisskandidat ins Amt gekommene Intendant die Balance noch halten und breiten Einfluss auf die Entwicklung des WDR nehmen. Als aber Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre im Kontext der Proteste der „68er„ auch in der Sendeanstalt die interne Hierarchie hinterfragt, gleichzeitig aber die Handlungsspielräume durch relativ knapper werdende Finanzmittel enger und die besagte „Rotfunk„-Kampagne entfacht wurden, geriet das labile Gleichgewicht seines Stils, das Amt wahrzunehmen, ins Wanken. In der zunehmenden gesellschaftspolitischen Polarisierung wurde von allen Seiten Parteinahme erwartet, wozu von Bismarck nicht bereit war. Hier prägte der Intendant das Profil eines liberalen WDR wesentlich mit. Abschließend wirft der Autor jedoch die Frage auf, ob es in solch einer Situation angemessen und klug war, als leitend Verantwortlicher eine idealistisch anmutende Überparteilichkeit des Rundfunks zu behaupten, wenn man, wie von Bismarck, zuweilen selbst seinen hehren Ansprüchen in wichtigen Fragen nicht genügen konnte und auch ratlos auf einige zentrale Herausforderungen reagierte.

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