ARCHIV FÜR SOZIALGESCHICHTE
DEKORATION

Archiv für Sozialgeschichte
Band XXXXI / 2001 - Zusammenfassungen


Horst O. Halefeldt

Ein Sender für acht Länder: Die NORAG. Regionaler Rundfunk in der Weimarer Republik


Technische Probleme verhinderten 1922/23 die Einführung eines 'Zentralfunks' und damit einer zentralistischen Rundfunkstruktur in Deutschland. Auch mit Rücksicht auf die absehbaren Ansprüche der Länder wurde stattdessen 1923/24 eine föderale Struktur mit 'Hauptsendern' in neun verschiedenen Großstädten des Reichs aufgebaut, die sich bis heute im Kern erhalten hat. Schon 1924/25 begann, um eine flächendeckende Rundfunkversorgung zu erreichen, die Errichtung zusätzlicher 'Nebensender', die per Kabel mit den Hauptsendern verbunden wurden. Da diese Nebensender anfangs über eigene Mittelwellenfrequenzen verfügten, konnten sie auch zur Ausstrahlung regionaler 'Fensterprogramme' genutzt werden. Diese Chance nutzte ab 1925 vor allem die niederdeutsche Sendegesellschaft, die in Hamburg angesiedelte Nordische Rundfunk AG (NORAG). Sie verfolgte unter der Leitung der früheren Zeitungsjournalisten Hans Bodenstedt und Kurt Stapelfeldt ein ausgesprochen regional orientiertes Programmkonzept, in das sie ihre zwischen 1924 und 1927 eingerichteten Studios und 'Besprechungsstellen' in Bremen, Hannover, Kiel und Schwerin einband. So wurden in den Regionen sowohl Sendungen produziert, die als 'Fensterprogramm' nur im Großraum um die jeweiligen Senderstädte zu hören waren, als auch Sendungen für das Hauptprogramm der NORAG.

Der Beitrag schildert, hauptsächlich am Bremer Beispiel, die Entstehung und Entwicklung dieser Programmangebote des frühen Hörfunks. Darüber hinaus untersucht er die Rahmenbedingungen der Regionalisierung, den Einfluss der ersten Weimarer Rundfunkordnung von 1926 und der damit geschaffenen Zensurgremien »Überwachungsausschuss« und Kulturbeirat, die Auswirkungen internationaler Frequenzvereinbarungen und technischer Entwicklungen, die Ansprüche der betroffenen acht Landesregierungen und anderer regionaler Interessenten, die Unternehmenspolitik der NORAG und nicht zuletzt die der 1925 gegründeten, von der Reichspost gesteuerten Holding Reichs-Rundfunk-Gesellschaft (RRG). Aus dieser Analyse wird deutlich, dass sich die regionale Programmproduktion nur so lange entwickeln konnte, wie das Programmkonzept der NORAG und die regionale Unterstützung dieses Konzepts nicht völlig von den einseitig fiskalisch geprägten Vorstellungen von Reichspost und RRG in den Hintergrund gedrängt wurden. Immerhin gelang es der Sendegesellschaft, bis 1932/33 Reste ihrer Regionalprogramme am Leben zu erhalten.

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